Polgara die Zauberin
ihm sagte, und anschließend sicherzustellen, daß er achtzig und älter wurde. Je länger ich darüber nachdachte, desto mehr festigte sich die Überzeugung in mir, daß die Befreiung von Allerans Sohn und die ›Zivilisierung‹ von Nerasin Hand in Hand gehen mußten.
Nerasins gedungene Entführer konnten den Jungen überall versteckt halten, aber in Wahrheit war das kaum von Bedeutung. Ich konnte das, was ich wollte, in Vo Astur bekommen. Dafür mußte ich nicht auf einer verzweifelten Suche die Wälder Baum für Baum auseinandernehmen. Hatte ich Nerasin erst einmal unter meiner Knute, konnte ich die Rückkehr des Kleinen in die Wege leiten, ohne ihn in Gefahr zu bringen oder weite Strecken asturischen Grundbesitzes zu verwüsten.
Mein nächstes Problem stand unmittelbar vor der Tür zu meiner Bibliothek, als ich mich am nächsten Morgen zur Abfahrt bereitmachte. Sein roter Backenbart knisterte, seine Arme waren trotzig vor der Brust verschränkt, und sein Gesichtsausdruck war stahlhart, »'ch tu Euch nicht alleine zieh'n lass'n, Fräuleinchen«, verkündete er mit ausdrucksloser Stimme.
»O Killane!« entgegnete ich. »Sei doch vernünftig. Ich werde mich nicht in Gefahr begeben.«
»Ihr geht nicht allein!«
»Wie willst du mich denn davon abhalten?« erkundigte ich mich nachsichtig.
»Ich brenn' Euer Haus nieder, wenn Ihr's auch nur versuch'n tut!«
»Das würdest du nicht tun!«
»Laßt's nur drauf ankomm'n!«
Also damit hatte ich nicht gerechnet. Killane hatte meinen empfindlichsten Punkt getroffen. Ich liebte mein Haus, und das wußte er. Seine Drohung ließ es mir am ganzen Leib kalt werden. Trotzdem mußte ich so schnell wie möglich nach Vo Astur gelangen, und das wiederum bedeutete, daß ich fast schon gezwungen war, die Falkengestalt zu benutzen. Aber kein Falke dieser Welt konnte einen wacitischen Arender tragen, der gut und gerne seine einhundertsiebzig Pfund wog.
Die Antwort war natürlich kinderleicht. Außerdem würde sie meinen streitsüchtigen Freund ein für allemal lehren, mir keine Ultimaten zu stellen. Ich hatte es nie zuvor getan, aber ich schätze, für alles gibt es ein erstes Mal. Ich wußte, worum es ging, und war mir sicher, im Notfall improvisieren zu können.
»Nun gut Killane«, schützte ich Nachgiebigkeit vor, »wenn du darauf bestehst –«
»In der Tat«, versetzte er ausdruckslos. »Dann tu ich jetzt mal die Pferde satt'ln tun.«
»Nein«, befahl ich. »Wir werden nicht zu Pferd reisen. Komm wir gehen in den Garten.«
»Wozu?«
»Das wirst du schon noch sehen.«
Ich gebe zu, daß es ein bißchen heikel war. Ich wußte, wie Killane aussah, aber das hieß nicht, daß ich einen Begriff davon hatte, wie er sich fühlte – sein Gespür für sich selbst könnte man es wohl nennen. Der Geschlechtsunterschied trat erschwerend hinzu, aber darüber setzte ich mich zunächst hinweg. Killanes Geschlecht würde jetzt für eine Weile nicht besonders wichtig sein. Er stand neben einem Beet im Winterschlaf versunkener Rosenstöcke, einen ein wenig ängstlichen Ausdruck im Gesicht. Vermutlich war ihm klar geworden, daß er mich ein bißchen zu weit getrieben haben mochte.
Dann zuckte er kaum merklich zusammen, weil er neben seinem rechten Fuß etwas erblickte, was sich in Wirklichkeit gar nicht dort befand. Er hob den Fuß, offenbar in der Absicht zu zertrampeln, was er dort sah.
»Laß das, Killane«, sagte ich in scharfem Ton. »Ich brauche es. Aber sieh es dir genau an.«
Er starrte die Illusion eindringlich an.
Ich mußte die Freisetzung meines Willens durch sein Bewußtsein filtern, und das war keine Kleinigkeit. Soweit ich mich entsinnen kann, war dies das erste Mal, daß ich meinen Willen durch den Geist eines anderen schleuste. Als ich alles genau an seinem Platz hatte, hob ich nahezu geistesabwesend einen Stein von vielleicht zwei Pfund auf, und dann entließ ich meinen aufgestauten Willen in die ihm gewiesene Richtung. Noch während die Übertragung vonstatten ging, legte ich den Stein behutsam auf den Schwanz der kleinen Feldmaus, in welche Killanes gesamtes Bewußtsein und sein Körper versetzt wurde. Es bestand eine gewisse Möglichkeit, daß die Umwandlung ihn ein bißchen hysterisch machte, und ich hatte wirklich keine Zeit, ihn wieder einzufangen.
Sein Quieken war mitleiderregend, und die Augen quollen dem winzigen armen Geschöpf fast aus dem Kopf. Ich unterdrückte jedoch meine spontane Mitleidsregung. Schließlich hatte Killane darauf bestanden.
Dann verschmolz ich in die
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