Polgara die Zauberin
Berechnungen hinsichtlich der Belastbarkeit der tragenden Balken durchgeführt wurden. Das Katapult hat nicht funktioniert, weil es zu stark war. Das Gerüst hätte aus Stahl und nicht aus Holz sein müssen. Der Zug war zu hoch für ein Holzgerüst. Deshalb hat es sich selbst zerrissen.«
»So viel Stahl wäre sehr teuer gewesen, Tante Pol.«
»Ich glaube, das Holz war noch viel teurer, Euer Gnaden. Faltet jene Zeichnungen zusammen und legt sie weg. Wir haben viel zu tun.«
Allerans Krönung verlief in gedrückter Stimmung, aber Corrolin reiste aus Vo Mimbre an, um den Feierlichkeiten beizuwohnen, was dem neuen Herzog von Wacune den Rücken stärkte. Ich wohnte ihren Beratungen unter vier Augen bei, obwohl es wahrscheinlich gar nicht nötig gewesen wäre. Kathandrion war so klug gewesen, seinen Erben nicht in einem politischen Vakuum aufwachsen zu lassen, und der mimbratische Gesandte am Hof von Vo Wacune hatte Alleran in die etwas überzogene Etikette der Mimbrater eingeführt. Ihre ersten Begegnungen verliefen ein bißchen steif, aber als sie sich besser kennenlernten, wurde die Atmosphäre entspannter. Ihre größte gemeinsame Sorge war und blieb Asturien, und das brachte sie einander näher.
Es war im Herbst des darauffolgenden Jahres, als Nerasin etwas tat, das mich hart an den Rand jener Linie brachte, die zu überschreiten mein Vater mich wiederholt gewarnt hatte.
Asrana und Mandorin ritten zu einem vermutlich rein geselligen Besuch nach Vo Mimbre. Als sie jenen Waldstreifen erreichten, der den Arendfluß säumt, wandten sie sich flußaufwärts nach Vo Mimbre, dort lauerte eine Bande asturischer Bogenschützen, denen es irgendwie gelungen war, sich über die Ebenen von Mimbre zur südlichen Grenze zu stehlen, meinen beiden lieben Freunden auf, und durchsiebte sie förmlich mit Pfeilen. Nerasin hatte offensichtlich herausgefunden, daß Asrana hinter all seinem Ärger in Vo Astur steckte, und so hatte er ein paar typisch arendische Maßnahmen ergriffen.
Als ich vom Tode meiner Freunde erfuhr, übermannte mich der Kummer beinah. Ich weinte tagelang und stählte mich dann für die Rache. Ich war mir ziemlich sicher, daß ich Nerasin einige Dinge antun konnte, die tapfere Männer noch nach tausend Jahren vor Entsetzen schaudern ließen. Killane und seine Familie brachten sich klugerweise vor mir in Sicherheit, als ich aus meinem Zimmer stürmte. Zunächst begab ich mich in die Küche. Ich würde ein paar scharfe Gerätschaften brauchen für das, was ich mit Nerasin vorhatte. Meine Erfahrung als Köchin lieferte mir einige interessante Fachbegriffe für meine Rachepläne. ›Filetieren‹ klang wie Musik in meinen Ohren, dicht gefolgt von ›entbeinen‹. Die Vorstellung, Nerasins Knochen einen nach dem anderen aus seinem Leib zu schneiden, erschien mir aus unerfindlichen Gründen überaus verlockend. Meine Augen begannen zu leuchten, als ich auf eine Käseraspel stieß.
»In Ordnung, Polgara, leg die Küchengeräte wieder dorthin zurück, wo du sie her hast. Du wirst nirgendwohin gehen.« Es war Mutters Stimme.
»Er hat meine Freunde ermordet, Mutter!« empörte ich mich. »Das lasse ich nicht ungerächt!«
»Ich sehe, daß du dich den lokalen Gepflogenheiten gut angepaßt hast«, merkte sie an, und ein leicht vorwurfsvoller Unterton war nicht zu überhören.
»Was soll das heißen?«
»Warum hat der Meister dich nach Arendien geschickt?«
»Um ihren Torheiten einen Riegel vorzuschieben.«
»Oh, jetzt begreife ich. Du willst dich in ihrer Torheit suhlen, damit du herausfinden kannst, wie das so ist. Interessante Idee. Bist du bei deinem Medizinstudium ebenso vorgegangen? Hast du dir eine Krankheit eingefangen, um sie besser zu verstehen, bevor du sie zu heilen versucht hast?«
»Das ist absurd.«
»Ja, ich weiß. Das habe ich dir gerade zu erklären versucht, Polgara. All dieses dumpfe Brüten über Messern und Fleischerhaken und Käseraspeln ist genau das, was zu unterbinden der Grund deiner Mission in Arendien war. Nerasin hat deine Freunde ermordet, also wirst du jetzt ihn ermorden. Dann wird einer seiner Verwandten dich ermorden. Dann wird dein Vater irgend jemanden anderen aus Nerasins Familie ermorden. Dann wird irgend jemand deinen Vater ermorden. Dann wird Beldin sich einen aussuchen. Und es wird weiter und weiter gehen, so lange, bis sich niemand mehr daran erinnern kann, wer Mandorin und Asrana waren. So geht es bei Blutfehden, Pol. Herzlichen Glückwunsch. Du bist mittlerweile Arenderin bis in die
Weitere Kostenlose Bücher