Polgara die Zauberin
aus. »Wie konnte ich das nur vergessen? Das liegt doch auf der Hand. Ihr seid ein böser Junge gewesen, Euer Gnaden. Ihr habt in letzter Zeit etwas getan, dessen Ihr Euch schämt. Mit Eurem armen kleinen Bäuchlein ist alles in Ordnung. Ihr habt ein schlechtes Gewissen, das ist alles.« Dann schleuste ich einen frischen Schwall Verdauungsflüssigkeit in seinen Magentrakt.
Diesmal gelang es ihm sogar, einen kaum hörbaren Quieklaut von sich zu geben – jedenfalls wollte es mir so scheinen. Ganz sicher konnte ich mir allerdings nicht sein, weil er aus dem Bett gefallen war und sich nun unter demselben hin und her wälzte. Vielleicht war das Quieken auch nur das Kratzen seiner Fußnägel auf den Bodendielen.
»Hilf seiner Gnaden doch wieder zurück ins Bett, Killane«, schlug ich meinem grinsenden Gefolgsmann vor. »Ich möchte sehen, ob ich etwas tun kann, um sein Leiden zu lindern.«
Killane griff unter das Bett, bekam einen Knöchel zu fassen und zog ihn wieder ans Licht. Dann hob er den sich windenden Asturier recht unsanft hoch und ließ ihn beiläufig aufs Bett fallen.
»Erlaubt mir, mich vorzustellen, Euer Gnaden. Ich bin Polgara. Vielleicht habt Ihr schon von mir gehört.«
Selbst sein Winden hörte jetzt auf. Die Augen quollen ihm aus dem Kopf. »Polgara die Zauberin?« flüsterte er mit leicht entsetzter Miene.
»Die Ärztin«, stellte ich richtig. »Ihr befindet Euch in einer äußerst heiklen Verfassung, Herzog Nerasin, und wenn Ihr nicht genau das tut, was ich Euch sage, vermag ich Euch keine großen Hoffnungen auf eine Genesung zu machen. Zuallererst werdet Ihr die Personen benachrichtigen, die Herzog Allerans Sohn für Euch gefangenhalten. Befehlt ihnen, den kleinen Jungen unverzüglich hierher zu bringen.« Sodann ließ ich, nur um sicherzustellen, daß er mich verstand, einen frischen Schwall Magensaft in seine brennende Wunde schießen.
Er wickelte sich sogleich zu einem eng verschlungenen Päckchen zusammen und wurde sehr kooperativ. Am Kopfende seines Bettes befand sich ein Klingelzug. Er riß ihn fast aus der Verankerung, als er verschiedene Diener herbeirief. Mit rauhem Flüstern erteilte er Befehle, um dann schweißnaß auf sein Bett zurückzusinken.
»Na also«, sagte ich in mütterlichem Ton, »seht, wieviel besser Ihr Euch schon fühlt. Ich bin sehr zufrieden damit, wie gut die Behandlung anschlägt. Im Handumdrehen seid Ihr wieder auf den Beinen. Nun, während wir hier warten, bis Eure Leute den kleinen Kathandrion bringen, erkläre ich Euch, was Ihr tun müßt, um einen Rückfall in diesen furchtbaren Zustand zu verhindern. Ihr wollt das doch wirklich nicht noch einmal durchmachen, oder?«
Er schüttelte inbrünstig den Kopf.
»Der Arendische Rat wird in diesem Sommer auf dem Großen Markt von Arendien erneut zusammentreffen – wie gewöhnlich –, und ich rate Euch Vorkehrungen für Eure Teilnahme zu treffen – aus gesundheitlichen Gründen, wenn Ihr versteht. Darüber hinaus solltet Ihr, nur um sicherzustellen, daß dieser unangenehme Zustand nicht wieder eintritt, all Eure Spitzel, Meuchelmörder und anderen Unruhestifter nach Vo Astur zurückbeordern. All dies Intrigieren und Ränkeschmieden schlägt Euch auf den Magen. Euer sensibles Gewissen könnte die Krankheit just in dem Moment wieder ausbrechen lassen, wenn Ihr etwas auch nur eine Spur Unehrenhaftes tut. Es mag Euch eine gewisse Überwindung kosten, Nerasin, aber nach einer kurzen Gewöhnungsphase könntet Ihr in die Geschichte eingehen als der ehrenwerteste Mann, der jemals im Herzogtum Asturien geboren wurde. Erfüllt Euch das nicht mit Stolz?«
Er schenkte mir ein mattes kleines Lächeln. ›Ehre‹ ist ein nettes Wort, war aber in Herzog Nerasins Vorstellungswelt nicht vertreten.
»Ich glaube, Ihr solltet Euch jetzt ausruhen«, ließ ich ihn wissen, »aber vorher gebt Ihr noch Befehl, daß niemand in Asturien einschreiten sollte, wenn mein Freund und ich den kleinen Kathandrion heim zu seinen Eltern bringen. Ich weiß, daß der Gedanke an das Glück eines Kindes Euer Herz mit Freude erfüllt und Ihr nicht im Traum daran denken würdet, mir Schwierigkeiten zu bereiten, nicht wahr?«
Er schüttelte seinen Kopf diesmal so heftig, daß er fast davonflog.
Kurz nach Einbruch der Dämmerung brachten einige abgerissen aussehende Kerle Allerans kleinen Sohn in Nerasins Gemächer. »Tante Pol!« rief der Junge begeistert, während er auf seinen stämmigen kleinen Beinchen auf mich zu lief. Ich drückte ihn an mich und hielt ihn eine
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