Polgara die Zauberin
beabsichtigt er ohnehin, mich in einen Krieg hineinzuziehen. Da die ganze Angelegenheit in Wahrheit eine Auseinandersetzung zwischen Garteon und mir ist, sollten er und ich sie mit einem kleinen Schwätzchen unter vier Augen bereinigen.«
»Wir lassen uns von Eurer Weisheit leiten, Euer Gnaden«, erklärte Andrion.
»Ausgezeichneter Entschluß, Euer Gnaden«, lobte ich ihn.
Ich begab mich auf dem üblichen Weg nach Asturien und sah mich etwa eine Woche in Vo Astur um, aber ich konnte nicht die geringste Spur von Garteon finden. Ich hielt mich unbeobachtet in den grauen Gängen auf, in der Hoffnung, irgendwelche Hinweise auf seinen Aufenthaltsort zu erhalten, doch der asturische Adel schien darüber genauso wenig zu wissen wie ich. Ich flog weiter, um auf den Ländereien der anderen Mitglieder der Orimanfamilie nach ihm Ausschau zu halten, aber er war auch dort nicht zu finden. Ich ging sogar soweit, mich in einigen Lagern der Vogelfreien tief im Wald umzuschauen. Immer noch kein Garteon. Ganz offensichtlich hatte sich der Herzog von Asturien irgendwo in ein sehr tiefes Loch verkrochen. Gewiß gab es irgend jemanden in Asturien, der wußte, wo er steckte, aber wer immer derjenige war, er hüllte sich in Schweigen. Da Arender veranlagungsgemäß unfähig sind, ein Geheimnis länger als ein paar Stunden für sich zu behalten, vermutete ich, daß hinter der Sache Grolims steckten.
Meine Laune war nicht allzu gut als ich mich schließlich geschlagen gab und nach Vo Wacune zurückflog, um meinen Freunden im Palast mein Scheitern einzugestehen. Nach kurzer Diskussion stimmte ich ihnen bedrückt zu, daß die Mobilisierung der Armee unter den gegebenen Umständen der einzige Schritt war, der uns noch offenstand. »Ich werde mich dennoch auch weiterhin bemühen, meine Herren«, versicherte ich der kleinen Versammlung. »Früher oder später muß Garteon aus seinem Versteck herauskommen. Er hat mich allerdings ein wenig ungehalten gemacht, so daß ich mich wirklich gerne mit ihm unterhalten möchte – ausführlich.«
Dann begleitete Ontrose mich zu meinem Stadthaus zurück, wo wir ein ruhiges Abendessen einnahmen. Das Gute an meinem Fehlschlag in Vo Astur war, daß er meinen gutaussehenden Freund überzeugte, daß ich nicht allmächtig war.
Nach dem Abendmahl begaben wir uns in meinen Rosengarten. Ich brauchte den Frieden dieses stillen Ortes, um meine Nerven wieder zu beruhigen.
»Ich spüre Eure Unzufriedenheit Mylady«, begann Ontrose in mitfühlendem Tonfall.
»Es ist ein bißchen mehr als Unzufriedenheit, lieber Freund«, erwiderte ich trocken. »Offenbar sind mir in den letzten Jahren die Erfolge zu leicht in den Schoß gefallen. Versagen erschüttert mein Selbstwertgefühl.«
Er lächelte kaum merklich, aber dann seufzte er. »Am morgigen Tage sehe ich mich gezwungen, Eure Erlaubnis vorausgesetzt, in Euer Herrschaftsgebiet zu reiten. Falls Wacune den Heerbann erläßt muß Erat seinem Beispiel folgen. Mit zwei mächtigen Heeren zu unserer Verfügung hege ich nur geringe Befürchtungen hinsichtlich des Ausgangs der gegenwärtigen Mißhelligkeit.«
Ich nickte. »Ich werde eine Vollmacht aufsetzen, die Ihr meinem Seneschall in Erat Malon Killaneson, vorlegen könnt. Er wird meine Schatztruhen für Euch öffnen. Bitte behandelt meine Leute freundlich, lieber Ontrose. Ernährt sie gut und bildet sie so aus, daß sie sich selbst verteidigen können.«
»Die fürsorgende Mutter spricht aus jedem Eurer Sätze, verehrte, liebe Lady.«
Ich zuckte die Schultern. »So scheint es«, stimmte ich ihm zu. »Es muß etwas mit der mütterlichen Seite meiner Familie zu tun haben – aber das sollten wir hier jetzt nicht vertiefen.«
Dann entdeckte ich am Nachthimmel etwas Vertrautes. »Du bist spät dran«, sagte ich.
»Ich?« fragte Ontrose verwirrt.
»Nein, Ontrose, nicht Ihr. Ich habe zu meinem alten Freund da oben gesprochen.« Ich zeigte auf das verschwommene Licht des Kometen, der auf dem purpurfarbenen Schlund der Nacht über den Sternen klebte. »Er taucht für gewöhnlich im Spätwinter auf, aber jetzt ist es beinah Sommer.«
»Ihr habt dieses Wunder bereits geschaut?« staunte er.
»Viele Male, Ontrose, viele Male.« Ich überschlug die Jahre rasch. »Dreizehnmal, um genau zu sein. Ich war vierzehn, als ich ihn zum erstenmal sah. Er kommt alle einundsiebzig Jahre auf einen kurzen Besuch vorbei.«
Ontrose stellte rasch einige Berechnungen an, und seine Augen wurden groß.
»Laßt Euch davon nicht beeindrucken, lieber Ontrose«,
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