Polgara die Zauberin
in den Augen an.
»Also dann«, sagte ich mit strenger Stimme, »Sendarien steht unter meinem Schutz. Schafft eure Leute dort heraus und bringt sie dahin zurück, wo sie hingehören.«
»Wir folgen den Anweisungen Belars, Polgara«, wandte er ein.
»Nein, Alreg das tut ihr nicht. In Wahrheit folgt ihr den Anweisungen des Bärenkults. Wenn ihr gern nach der Pfeife einer Gruppe schwachsinniger religiöser Fanatiker tanzt, ist das eure Sache, aber verlaßt Sendarien. Ihr könnt euch nicht einmal ansatzweise vorstellen, wie häßlich sich die Dinge entwickeln werden, wenn ihr das nicht tut.«
»Ich weiß nicht, wie es euch anderen geht«, erklärte ein dünner, bärtiger Chereker, in dessen Augen das flackernde Feuer des religiösen Wahns brannte, voller Inbrunst, »aber ich werde keine Befehle von einer Frau entgegennehmen!«
»Wie die Dinge stehen, alter Junge, wirst du das wohl müssen.«
»Ich bin ein waffentragender Chereker!« kreischte er beinah. »Ich fürchte nichts!«
Ich vollführte eine kleine Handbewegung, und sein glänzendes Kettenhemd und sein gezücktes Schwert hörten ziemlich rasch auf zu glänzen und nahmen statt dessen einen stumpfroten Farbton an. Dann begannen sie zu zerbröseln und in Wolken pulverfeinen Staubes zu Boden zu rieseln. »Findest du das nicht irgendwie entwaffnend?« äußerte ich. »Nun, da du kein waffentragender Chereker mehr bist, bekommst du nicht wenigstens ein kleines bißchen Angst?« Dann hatte ich ihre Dummheit satt. »GENUG!« donnerte ich. »Verzieht euch aus Sendarien, Alreg, oder ich schleppe die Halbinsel von Cherek aufs Meer hinaus und versenke sie. Dann kannst du eine Weile ausprobieren, wie es ist, der König der Fische zu sein. Und jetzt ruf deine Leute zurück!«
Es war vielleicht nicht die diplomatischste Art, die Chereker ins Glied zurückzupfeifen, aber der selbstgefällige Chauvinismus von Alregs Hof hatte mich gereizt ›Keine Befehle von einer Frau entgegennehmen‹, also wirklich! Die bloße Erinnerung bringt mein Blut zum Sieden!
Übrigens hatte mein kleiner Besuch in Val Alorn einen unbeabsichtigten, aber nützlichen Nebeneffekt. Nachdem er einige Monate lang den hysterischen Protest von seiten enttäuschter Bärenkultanhänger erduldet hatte, ermannte Alreg sich und griff wieder hart gegen den Kult durch. Die Erfahrung hat mich gelehrt, daß man dem Bärenkult in den alornischen Königreichen alle fünfzig Jahre oder so einmal kräftig aufs Haupt schlagen muß.
Während des darauffolgenden Jahrhunderts zog ich mich mehr und mehr in verstaubte alte Geschichtsbücher zurück, so daß ich nur selten Gelegenheit erhielt, meinen Landsitz am Ufer des Eratsees aufzusuchen. Der letzte meiner Verwalter dort starb, und ich sah keinen Anlaß, ihn zu ersetzen. Dennoch liebte ich das Haus noch immer, und die Vorstellung, daß es langsam verfallen und geplündert würde, behagte mir so wenig, daß ich eines Jahres im Vorfrühling das sendarische Gebirge überquerte und Schritte unternahm, um es zu schützen. In nostalgische Melancholie versunken, wandelte ich durch die staubigen Räume. So viel war hier geschehen, das zentrale Bedeutung für mein Leben gehabt hatte. Die Geister von Killane und Ontrose schienen mich durch jeden staubbedeckten Gang zu begleiten, und der Nachhall vor langer Zeit geführter Gespräche schien in fast jedem Raum zu schweben, den ich betrat. Erat war wieder Sendarien geworden, und mein Herzogtum war geschrumpft, bis es nur noch aus diesem einsamen Haus bestand.
Ich erwog mehrere Möglichkeiten, aber die Lösung war wirklich ganz einfach, und sie fiel mir an einem wunderbaren Frühlingsabend ein, als ich auf der Terrasse des Südflügels stand und über den See und den Dschungel meines ungepflegten Rosengartens hinausblickte. Was für einen besseren Weg gab es, mein Haus zu verbergen und zu schirmen, als es unter Rosen zu begraben?
Am nächsten Morgen begab ich mich an die Arbeit. Ich ›ermutigte‹ meine Rosenbüsche, sich auszudehnen und die schöne, zum See hin abfallende Wiese zu überwuchern. Als das Werk vollbracht war, waren sie keine Rosenbüsche mehr, sondern Bäume, und sie waren so dicht miteinander verwachsen, daß sie eine dornige, undurchdringliche Barriere darstellten, die mein geliebtes Haus für immer unversehrt bewahren würden.
Mit beträchtlicher Selbstzufriedenheit kehrte ich daraufhin in Mutters Hütte und zu meinen fortgesetzten Studien zurück. Nun, da ich die Vergangenheit bewahrt hatte, konnte ich mich der Zukunft
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