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Polgara die Zauberin

Polgara die Zauberin

Titel: Polgara die Zauberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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widmen.
In meiner Familie gilt es als unangefochtener Glaubenssatz, daß die Zukunft im Darine und Mrinkodex verborgen liegt, aber das gesammelte Gerede eines senilen alten alornischen Kriegers und eines völlig zurückgebliebenen Schwachsinnigen zu lesen, den man zu seiner eigenen Sicherheit angekettet hatte, kann sehr frustrierend sein. Ich stieß immer wieder auf verborgene Hinweise auf meinen Vater und mich, und das war es wahrscheinlich auch, was mich davon abhielt, voller Verzweiflung die Hände hochzuwerfen und mich statt dessen der Ornithologie oder der Gartenbaukunst zu verschreiben. Ganz langsam begann ich die Vorstellung zu begreifen, daß es eine andere Welt gab, die unsere irdische, alltägliche Realität überlagerte, und daß in dieser anderen Welt die belanglosesten Ereignisse ungeheure Bedeutung besaßen. Die zufällige Begegnung zweier Kaufleute in den Straßen von Tol Honeth oder ein Treffen zwischen zwei Goldsuchern in den Bergen von Gar og Nadrak konnte weitaus wichtiger sein als der Zusammenprall zweier Armeen. Immer mehr gelangte ich zu der Überzeugung, daß jene ›Episoden‹ EREIGNISSE waren – jene sehr kurzen Konfrontationen zwischen den beiden völlig verschiedenen Prophezeiungen, von denen nur eine am Ende das Schicksal nicht nur dieser Welt, sondern des gesamten Universums bestimmen würde.
Das Studium von etwas so Unermeßlichem nahm mich so vollauf in Anspruch, daß ich die Zeit zu vergessen begann, und meist hätte ich euch gar nicht sagen können, in welchem Jahrhundert wir uns befanden – geschweige denn, in welchem Jahr.
Ich weiß jedoch – hauptsächlich, weil ich es später in einigen tolnedrischen Geschichtsbüchern nachschlug –, daß der letzte Kaiser der zweiten Borunedynastie im Jahre 3761 seinen Nachfolger bestimmte, anstatt die Wahl wie bislang dem höchst bestechlichen Gremium der Räte zu überlassen. Dieser kinderlose borunische Kaiser, Ran Borune XII., war offensichtlich ein Mann von großer Voraussicht, denn seine Entscheidung brachte die Horbiterfamilie auf den Thron, und die Horbiter erwiesen sich – zumindest zum damaligen Zeitpunkt – als außerordentlich fähig und tüchtig. In mancher Hinsicht waren die Horbiter kaum mehr als ein Seitenzweig der Honethiter gewesen, in etwa so, wie die Anadiler ein Seitenzweig der Boruner sind. Der erste dieses Geschlechts, Ran Horb I., stürzte sich in die borunische Liebhaberei des Straßenbaus, um dem tolnedrischen Handel Anschluß an den Rest der Welt zu verschaffen. Es war jedoch sein Sohn, Ran Horb II., der diese Liebhaberei zur Besessenheit trieb. Gleichsam über Nacht konnte man im Westen nirgendwo mehr hinsehen, ohne tolnedrische Bautrupps zu entdecken, die eine neue Straßenverbindung aus dem Boden stampften. Das diplomatische Corps Tolnedras ließ alle anderen Projekte fahren und widmete sich voll und ganz den ›Verträgen wechselseitiger Zusammenarbeit zum Wohle aller‹. Auf diese Weise erweckten sie den Eindruck, Tolnedra handle gut nachbarschaftlich, wohingegen die Straßen doch fast ausschließlich zum Nutzen der tolnedrischen Kaufleute gebaut wurden.
Als mich die Nachricht dieses Straßenbaufiebers in meinem ehemaligen Herrschaftsgebiet in der Hütte meiner Mutter erreichte, entschied ich, es sei besser, meine Studien beiseitezulegen und nach Tol Honeth zu gehen. Ich wollte ein Wörtchen mit Ran Horb II. reden, um Näheres über seine Pläne zu erfahren.
Zunächst einmal entschloß ich mich, den Kaiser nicht einfach zu besuchen, sondern statt dessen auf die guten Dienste des drasnischen Geheimdienstes zurückzugreifen. Trotz all ihrer Fehler – und sie haben Fehler – werden die habgierigen Drasnier von den Tolnedrern respektiert. Ich mußte mich Prinz Khanar vorstellen, dem Neffen König Rhalans von Drasnien, da ich die letzten acht Jahrhunderte in fast völliger Abgeschiedenheit zugebracht hatte. Khanar war unter Aufbietung aller Phantasie kein Dras Stiernacken. Er war vielmehr ein kleiner, drahtiger Mann mit flinkem Verstand und einem wunderlichen Sinn für Humor. Ich hatte mich darauf eingestellt, ihm eine kurze Demonstration meines ›Talentes‹ zuteil werden zu lassen, doch seltsamerweise erwies sich das als überflüssig. Er glaubte mir aufs Wort und begleitete mich in den Palast. Nachdem wir etwa eine Stunde gewartet hatten, wurden wir in das große, überfüllte Arbeitszimmer seiner Kaiserlichen Majestät, Ran Horbs II., geleitet. Der Kaiser war ein kräftiger, nüchterner Bursche mit sich

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