Polgara die Zauberin
Wirbelsturm aufgemischt hatte, um gewaltige Staubwolken gegen unsere Mauern zu schicken, hatte ich die Lösung bereits gefunden. Die Zwillinge und ich brachen eine Ecke aus Zedars Wirbelsturm heraus, schickten sie orkangleich mehrere Meilen den Arend herunter und brachten sie dann als Wasserhose wieder zurück. Dann ließen wir los. Der daraus erfolgende Wolkenbruch führte dazu, daß der Staub sich legte, und wir entdeckten eine Horde Murgos, die sich auf Zehenspitzen durch den Staubsturm geschlichen hatten. Die asturischen Bogenschützen erledigten dieses Problem.
Vaters Beitrag zu der Angelegenheit war ziemlich kindisch. Ihm schien es jedenfalls Spaß zu machen. Einem Feind eine abgekürzte Version der Siebenjahreskrätze an den Hals zu zaubern, bringt wirklich nicht viel, aber Vater schien aus irgendeinem Grund sehr stolz darauf zu sein.
Und so überstanden wir den zweiten Tag der Schlacht. Ich wußte ja, wie wichtig das war, hatte es aber nicht für nötig befunden – hauptsächlich auf Mutters Drängen hin –, dieses Wissen mit den anderen zu teilen. »Es würde sie nur verwirren, Pol«, hatte sie mir versichert. »Männer lassen sich ohnehin so leicht verwirren. Also laß uns die Bedeutsamkeit des dritten Tages für uns behalten. Wir sollten deinem Vater keine Gelegenheit geben, besonders schlau sein zu wollen. Er könnte das Gleichgewicht der Dinge erschüttern, die geschehen sollen.«
Tut mir leid, daß ich das ausposaunen muß, Mutter, aber Vater ist mir in letzter Zeit etwas zu selbstgefällig. Es ist wohl an der Zeit, daß er erfährt, was wirklich in Vo Mimbre passiert ist.
Der arendische Dichter Davoul der Lahme, ein schmächtiges, übel hinkendes Bürschchen mit einer übertrieben hohen Meinung von seinem eher durchschnittlichen Talent, hat ein literarisches Ungetüm mit dem Titel ›Die Jüngsten Tage des Hauses Mimbre‹ verbrochen, in dem er großes Aufheben von Toraks Weigerung machte, seinen rostigen Ruheplatz zu verlassen. Davoul erklärte das Widerstreben des Drachengottes nicht, aber ich glaube, diejenigen unter euch, die genau aufgepaßt haben, haben schon erraten, was dahinter steckte. Um es ganz offen zu sagen, Torak hatte Angst vor diesem dritten Tag, da er durch die Ashabiner Orakel wußte, er werde verlieren, wenn seine Begegnung mit dem Kind des Lichtes am dritten Tag stattfände. Offensichtlich war es ihm verboten, an jenem zweiten Tag herauszukommen, so daß er die Eroberung der Stadt Zedar überlassen mußte. Zedar hatte versagt, und nun sah sich Torak diesem Tag gegenüber, den er so sehr fürchtete. Wenn man es richtig bedenkt, mußte er ja nichts anderes tun, als zu Hause zu bleiben. Hätte er das getan, hätte er auch gewonnen.
Hetzt mich nicht. Ich komme zu dem Warum, wenn ich soweit bin.
Der Schlüssel zu unserem gesamten Plan waren natürlich die tolnedrischen Legionen. Deshalb flog ich kurz vor Morgengrauen den Arend hinunter, um mich zu vergewissern, daß Eldrigs Kriegsschiffe mit jenen lebenswichtigen Verstärkungen flußaufwärts kamen. Ich gebe zu, ich war ungeheuer erleichtert, als ich sie an ungefähr dem Punkt entdeckte, wo sie sich unseren Berechnungen zufolge befinden mußten. Dann verließ Beltira die Stadt, um sich unseren im Osten aufgestellten Streitkräften anzuschließen. Belkira begab sich nach Norden zu den Sendarern, Rivanern und Asturiern, und Vater und ich flogen einfach los und ließen uns auf einem Baum nieder, um alles überschauen zu können und unsere Befehle zu brüllen. Vater war sich natürlich nicht der Tatsache bewußt, daß ich in der mittlerweile vertrauten Eule nicht allein war. Meinen Vater zu täuschen, war nicht besonders schwer – und auch nicht wichtig. Was wirklich zählte, war, daß Torak nicht wußte, daß Mutter oder ich dort waren. Mutter war die geheime Jüngerin des Meisters, und Torak ahnte noch nicht einmal etwas von ihrer Existenz. Ich bin mir absolut sicher, daß es ihre Anwesenheit vor Vo Mimbre war, die den einäugigen Gott letztendlich besiegte.
Die Sache mit den Hornstößen war Vaters Idee gewesen. Es diente keinem Zweck – außer dem, Vaters Hang zur Dramatik zu befriedigen. Bei jedem Truppenteil hielt sich ein Mitglied unserer Familie auf, so daß wir wesentlich subtilere Verständigungsmöglichkeiten zur Verfügung gehabt hätten als das dumme Getute, aber Vater bestand hartnäckig auf diesen in regelmäßigen Abständen veranstalteten Bläserkonzerten. Ich gestehe ein, daß die Arender ganz verrückt nach
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