Polgara die Zauberin
er sich entwickelt.«
»Wer ist der andere, den wir kennenlernen müssen?«
»Der neue König, Drosta lek Thun.«
»Wie neu?«
»Er wurde 5342 gekrönt. Jetzt dürfte er ungefähr zwanzig sein.«
»Wir erwarten Hilfe von dem König eines angarakanischen Volkes?«
»Ich bin nicht diejenige, die die Entscheidungen trifft, Pol. Du sollst dich mit ihm unterhalten und herausfinden, was ihn dazu bewegen könnte, die Seiten zu wechseln.«
»Es könnte sich als schwierig erweisen, in seinen Palast zu gelangen.«
»Ich glaube, Gallak kann uns dabei behilflich sein.«
»Möglich. Ich rede heute abend mit ihm und horche ihn aus.«
Meine Eingewöhnung in Gallaks Haushalt verlief vermutlich schwieriger als Gallaks Gewöhnung an mich. Ich mußte mir ständig ins Gedächtnis rufen, daß er glaubte, er lebte seit nunmehr sechs Wochen unter seinem Dach, und er sei an mich gewöhnt. »Wie war dein Tag, Polanna?« fragte er mich nach dem Abendessen freundlich.
»Wie immer«, erwiderte ich. »Ich bin auf den Basar gegangen und habe mir einige der Geschäfte angesehen, die ich noch nicht kannte. Ich habe aber nichts gekauft.«
»Brauchst du Geld?«
»Nein, danke. Bist du je König Drosta begegnet?«
»Ein paarmal, ja. Warum?«
»Reine Neugier. Was ist er für ein Mann?«
»Jung. Vielleicht wird er eines Tages erwachsen – hoffentlich vor seinem achtzigsten Geburtstag.«
»Das verstehe ich nicht ganz.«
»Seine Majestät liebt die Frauen.« Gallaks Mißbilligung war nicht zu überhören.
»Ich vermag daran nichts Falsches zu entdecken.«
»Ich schon – wenn ein Mann an nichts anderes mehr denken kann. Und so scheint es unserem König zu gehen. Ich bezweifle, daß er auch nur die Namen seiner wichtigsten Berater kennt.«
»Wie dumm.«
»Richtig dumm ist er nicht, Polanna. Um genau zu sein, ist er sogar ziemlich gescheit – auf eine etwas sprunghafte Weise –, aber sein Verstand schaltet sich völlig ab, wenn eine Frau zu tanzen beginnt. Versteh mich nicht falsch. Ich genieße die Darbietung einer guten Tänzerin genauso wie jeder andere Mann, aber Drosta bekommt schon glasige Augen, ehe die Tänzerin auch nur den Raum betreten hat, außerdem läuft ihm das Wasser im Mund zusammen – und hinaus. Er ist ein häßlicher junger Mann, und all die Speichelfäden machen ihn nicht attraktiver. Drasnien wird bald einen neuen König bekommen, und Drosta sollte sich dafür einsetzen, neue Handelsverträge mit ihm abzuschließen. Aber seine Berater können ihn nicht lange genug aus dem Puff holen, daß er die drasnischen Gesandten empfängt.«
»Schockierend«, murmelte ich.
»Genau meine Meinung. Können wir über etwas anderes reden? Mir wird schon beim bloßen Gedanken an diesen Lüstling schlecht.«
Das brachte mich auf eine Idee. Am nächsten Morgen, nachdem Gallak das Haus verlassen hatte, um ein paar Leute übers Ohr zu hauen, fing ich mit den Tanzübungen an. Ich benötigte keinen Raum voller Männer, die mir mit ihrem Klatschen den Takt vorgaben. Den hatte ich im Kopf. Ich räumte ein paar Möbelstücke aus dem Zimmer und verspiegelte die eine Wand mit meinem Willen. Dann machte ich mich an die Arbeit. Wie ich bereits herausgefunden hatte, als ich Ayalla beim Tanzen zugesehen hatte, lag der Schlüssel zu einer wahrhaft herausragenden Tanzdarbietung nicht in den Schritten, sondern in der Haltung. Am späten Nachmittag konnte ich es annähernd.
Zwei Wochen lang übte ich fleißig. Das größte Problem, mit dem ich zu kämpfen hatte, hing mit der Zurschaustellung zusammen. Einige der Bewegungen des nadrakischen Tanzes waren mir schlicht peinlich, und ich wußte, ich müßte diese innere Verlegenheit überwinden, um die Art von Darbietung zu erreichen, die mir vorschwebte. Merkwürdigerweise fand ich heraus, daß es beim Zurschaustellen half, wenn ich meine Dolche ganz fest umklammert hielt. Wenn ich den Griff meiner ulgonischen Dolche in der Handfläche spürte, konnte ich mich den Blicken der Männer auf eine Weise darbieten, von der Ayalla nur träumen konnte. Dann mußte ich mir nur noch etwas einfallen lassen, um mein Erröten zu verbergen. Meine Tanzvorführung schockierte sogar mich. Nun, das war wohl auch der Sinn des Ganzen.
Der Winter kam und ging vorüber, und Gallak und ich richteten uns in unserer nadrakischen Häuslichkeit ein. Er verbrachte seine Tage damit, seine Kunden zu betrügen, und ich vervollkommnete meine Tanzkunst.
Nein, ich tanzte nicht aus reinem Vergnügen. Gallaks Einschätzung von König Drostas
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