Polgara die Zauberin
Persönlichkeit hatte mir den perfekten Weg gezeigt, dem nadrakischen König so nah zu kommen, daß ich seine Gedanken erforschen konnte. Im Frühling war mir klar, daß Drosta – selbst wenn ich nur halb so gut wäre, wie ich dachte – ganze Kübel vollsabbern würde, ehe ich auch nur die Hälfte meines Tanzes absolviert hätte.
Als der Schnee in den Straßen von Yar Nadrak zu schmelzen begann, schützte ich Ruhelosigkeit vor. Gallak und ich waren den Winter über ziemlich häuslich gewesen, und er stimmte mir bereitwillig zu, daß uns ein bißchen Gesellschaft gut tun würde.
Das gesellschaftliche Leben in Gar og Nadrak ist nicht sonderlich abwechslungsreich, da man nicht viel anderes tun kann, als Schenken zu besuchen. Ich persönlich konnte Schenken nicht viel abgewinnen, aber hier ging es ums Geschäft. Bevor wir das Haus verließen, zog ich mich um. Ich vermute, ich hätte auch in Leder tanzen können, aber die Wirkung wäre wohl nicht ganz dieselbe gewesen.
Ich saß mit Gallak an einem Tisch in einer Kneipe namens ›Der Wilde Eber‹, ich trank sogar ein paar Becher des fruchtig schmeckenden nadrakischen Bieres. Ich war tatsächlich ein bißchen nervös. Die anderen Leute in der Schenke wurden zusehends beschwipster, und zu fortgeschrittener Stunde wurde eine junge Frau, die das Eigentum eines Konkurrenten Gallaks war, von ihrem Besitzer dazu gedrängt, uns mit einem Tanz zu erfreuen. Die Gäste begannen rhythmisch zu klatschen, und die junge Frau tanzte. Sie war, obwohl kein Vergleich mit Ayalla, eigentlich nicht schlecht. Am Ende ihres Vortrags erhielt sie donnernden Applaus.
Lautlos und verstohlen, ohne ihn auch nur anzusehen, stachelte ich das Ego meines Besitzers ein bißchen an. »Meine Polanna kann besser tanzen«, verkündete er daraufhin großspurig.
»Das ist Gallak, wie er leibt und lebt«, schnaubte der Besitzer der Tänzerin. »Er meint, alle übertrumpfen zu müssen.«
»Schlage ihm eine Wette vor«, flüsterte ich Gallak ins Ohr.
»Kannst du denn wirklich tanzen?« flüsterte er ein wenig ängstlich zurück.
»Bei mir kriegt jeder Mann weiche Knie«, versicherte ich ihm.
»Na, dann versuch's.« Er klang nicht allzu überzeugt. »Also gut, Rasak«, sagte er zu seinem Herausforderer. »Möchtest du vielleicht eine kleine Wette darauf abschließen?« Er griff nach seinem Geldbeutel. »Ich habe hier zehn Goldstücke, und die setze ich darauf, daß Polanna besser ist als Eyana. Wir lassen unsere Freunde hier entscheiden.«
»Zehn? Du hörst dich ja an, als wärst du ungeheuer von dir selbst überzeugt, Gallak.«
»Genug, um mein Geld darauf zu verwetten. Höre ich da etwa Bedenken, Rasak?«
»Also zehn. Die Wette gilt.«
Die Menge grölte und trampelte mit den Füßen. Dann nahmen sie mit ihrem Klatschen jenen zündenden Rhythmus auf.
Ich holte einmal tief Luft, erhob mich und ließ meinen Umhang von den Schultern gleiten. Mein Tanzkostüm glich dem, das Ayalla in jenem Gasthof im tiefen Wald getragen hatte. Ich sah aus dem Augenwinkel, daß Rasaks Gesicht beim Anblick des blauen Nichts von einem Kleid ziemlich blaß wurde.
Schon gut, laßt uns keinen Aufstand darum machen. Über knochige Knie und jungmädchenhafte Schlaksigkeit war ich längst hinaus. Außerdem tanzte ich seit sechs Monaten täglich, was meine Figur sozusagen in Kampfbereitschaft versetzte – bildlich gesprochen natürlich.
Tut mir leid wegen des Wortspiels. Es war ein Versehen.
Und so tanzte ich also für sie. Die Aussicht, in der Öffentlichkeit zu tanzen, hatte mich ein bißchen nervös gemacht – ich glaube, die professionellen Künstler nennen es Lampenfieber –, aber als ich erst einmal zu tanzen begonnen hatte, verwandelte sich die Nervosität in hochgespannte Erregung, und ich tanzte besser, als ich es je allein vor dem Spiegel getan hatte. Es geht eben nichts über ein Publikum, um zu Höchstleistungen zu gelangen. Mag sein, daß nicht alle Zuschauer weiche Knie bekommen haben, aber einige ganz gewiß.
Gebannte Stille trat ein, als ich meine Darbietung mit jener atemberaubend aufreizenden Pose schloß. Das Publikum gehörte mir! Der Applaus und der Jubel waren so ohrenbetäubend, daß Rasak sich gar nicht erst die Mühe machte, eine Abstimmung zu fordern. Er beglich seine Wettschulden, ohne mit der Wimper zu zucken.
Danach tanzte ich ziemlich häufig. Gallak, der immer seinen Vorteil im Auge behielt, gedachte mein Talent bei seinen geschäftlichen Unternehmungen zu nutzen. »Warum lassen wir nicht Polanna für uns
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