Polgara die Zauberin
Gallak führte mich vor die Stufen des Throns und verbeugte sich vor seinem König. »Ich bin Gallak, Majestät«, sagte er. »Ihr habt mich rufen lassen?«
»Ah, da bist du ja, Gallak«, entgegnete Drosta mit schriller, fast hysterischer Stimme. »Wir haben schon auf dich gewartet.« Dann musterte er mich von Kopf bis Fuß mit einem Blick, der unverschämt eindeutig war. »Das ist also die berühmte Polanna«, fuhr er fort. »Sie ist ein hübsches Mädchen, nicht wahr?« Er kicherte nervös. »Würdest du sie verkaufen, Gallak?«
»Äh – nein, Euer Majestät«, erwiderte Gallak. »Ich glaube nicht.« Ich hielt das für eine weise Entscheidung, denn Gallak befand sich nur eine Kettenlänge von meinen Dolchen entfernt.
»Vielleicht möchtest du sie mir dann leihen.« Drosta schien das komisch zu finden, denn er begann dröhnend zu lachen.
»Das wäre wohl meine Entscheidung, Drosta«, gab ich in kühlen Tonfall zurück, »und ich bezweifle, daß Ihr genug Geld dafür hättet.«
»Nicht eben bescheiden, oder?« sagte er.
»Ich weiß, was ich wert bin«, antwortete ich achselzuckend.
»Man erzählte mir, du seist Tänzerin.«
»Man hat sich nicht geirrt.«
»Bist du eine gute Tänzerin?«
»Die beste, die Ihr je gesehen habt.« Bescheidenheit war keine nadrakische Tugend, aber diese Behauptung schien sogar die übliche nadrakische Prahlsucht in den Schatten zu stellen. »Das wirst du mir beweisen müssen, Polanna.«
»Wann immer Ihr es wünscht, Drosta. Bevor wir jedoch anfangen, sollten wir einen Blick auf diese hier werfen.« Ich griff unter mein Obergewand, zog meine Messer hervor und zeigte sie ihm.
»Du drohst mir?« staunte er, und die Augen quollen ihm aus dem Kopf.
»Es war nicht als Drohung gemeint, Drosta – ich wollte Euch lediglich Tatsachen vor Augen halten. Das blüht Euch, wenn Ihr Euch von Eurer Wertschätzung für meine Person hinreißen laßt.«
»Ich glaube nicht, daß ich schon einmal ein Messer mit einem Haken an der Spitze gesehen habe. Wozu ist der da?«
»Der Widerhaken zieht Dinge heraus – Dinge, die die meisten Menschen lieber in ihrem Innern behalten.« Ich betrachtete die Messer liebevoll. »Sind sie nicht hinreißend?« sagte ich. »Sie sind so gefertigt, daß sie beim Austreten mehr Schaden anrichten als beim Eindringen.«
Er wurde grün im Gesicht und schauderte. »Was für eine schreckliche Frau, Gallak«, wandte er sich an meinen Besitzer. »Wie hältst du es nur in ihrer Nähe aus?«
»Zu mir ist sie nett, Euer Majestät«, entgegnete Gallak. »Sie bringt mir Manieren bei. Und damit nicht genug, ist sie auch noch die beste Köchin von Gar og Nadrak.«
»Der Welt, um genau zu sein, Gallak«, berichtigte ich ihn. »Nun, Drosta«, fuhr ich dann fort, »was soll es sein? Soll ich für Euch tanzen, oder hättet Ihr lieber ein Abendessen?«
»Zuerst tanzst du«, gierte er. »Mal sehen, ob dein Tanz mir Appetit macht.« Dann ließ er den Blick durch seinen überfüllten Thronsaal wandern. »Räumt den Boden frei!« befahl er. »Macht dem Mädchen hier Platz! Laßt uns sehen, ob sie so gut ist, wie sie denkt.«
Ich faßte das als Herausforderung auf, und deshalb überwand ich meine gewohnte Zurückhaltung und fügte meiner Tanzdarbietung einige Elemente hinzu, die ich noch nie zuvor in der Öffentlichkeit gezeigt hatte.
Nein, ich werde sie hier nicht eingehender beschreiben – die Kinder, ihr wißt schon.
König Drosta zitterte heftig, als ich zurückstolzierte und mein Obergewand wieder aufhob. Auf seinem Gesicht lag ein nahezu ehrfürchtiger Ausdruck. »Bei Toraks Zähnen!« fluchte er. »So etwas habe ich noch nie gesehen!«
»Ich sagte Euch, daß ich die beste bin, Drosta«, erinnerte ich ihn.
»Bist du dir sicher, daß du sie nicht verkaufen willst Gallak?« bettelte Drosta.
»Ich halte es für meine Pflicht als Patriot, es nicht zu tun, Euer Majestät«, ließ mein Besitzer ihn wissen. »Ihr seid als leicht erregbar bekannt und könntet eines Tages hinweggerafft werden. Ich darf Euch Polanna nicht guten Gewissens verkaufen, da es noch keinen Thronerben gibt.«
»Du würdest mich doch nicht wirklich töten, Polanna, oder?« wollte Drosta hoffnungsvoll von mir wissen.
»Ich würde es furchtbar bedauern, Drosta, aber Regeln sind Regeln, Ihr versteht. Selbstverständlich würde ich mich bemühen, es so schmerzlos wie möglich zu gestalten, bin jedoch sicher, daß gewisse Unannehmlichkeiten nicht zu vermeiden wären. Meine Messer sind nicht für Schnelligkeit geschaffen – oder für
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