Polgara die Zauberin
normalerweise im Rattennest – das ist eine Schenke drüben am Osttor. Wenn er da nicht ist, müßte der Schankwirt wissen, wo er steckt.«
»Danke. Siehst du? Es hat doch gar nicht weh getan, oder?«
»Ich scheine nicht zu bluten – noch nicht.« Dann trat ein neugieriger Blick in seine Augen. »Hast du diesem Torwächter wirklich den Kopf mit diesen Sägen abgeschnitten, die du statt Dolchen trägst?«
»Natürlich nicht. Ich habe ihn nur ein ganz klein wenig angeritzt.«
»Ich dachte mir schon, daß es ein bißchen übertrieben wäre. Du wirkst nicht besonders blutrünstig auf mich.« Dann zwinkerte er mir zu. »Ich werd's aber niemandem weitererzählen. Du hast die ganze Diebesgilde in Angst und Schrecken versetzt, und ich liebe es, wenn all diese Halsabschneider in ihren Stiefeln zittern.«
»Du bist ein netter Junge«, lobte ich ihn und tätschelte ihm die Wange. Dann nahm ich die schlammbedeckte Straße zum Osttor.
Das Rattennest trug seinen Namen zu Recht. Den Platz der Vorhänge nahmen Spinnweben von entsprechendem Umfang ein, und der Boden war schon seit mehreren Monaten nicht mehr gefegt worden. Ich stellte mich an die wacklige, verschrammte Theke. »Welcher dieser betrunkenen Halunken ist Yarblek?« verlangte ich von dem Burschen auf der anderen Seite der Theke zu wissen.
»Der in der Ecke da drüben – der junge Kerl, der seinen Rausch von gestern abend auszuschlafen versucht. Wirst du ihn töten?«
»Wie kommst du denn auf die Idee?«
»Du bist doch die, die sie Polanna nennen, nicht wahr? Es heißt, du würdest Leute umbringen, nur weil sie dich angeguckt haben.«
»Unsinn. Ich habe heute noch keinen einzigen Menschen getötet – bislang. Aber jetzt entschuldige mich bitte, ich gehe dort rüber und wechsele ein paar Worte mit dem jungen Mann.«
Es bedurfte nicht viel, um Yarblek zu wecken – ein einzige knarrende Bodendiele, um genau zu sein. Bevor er die Augen aufschlug, fuhr seine Hand an sein Messer. Dann schaute er mich kühn an. »Nimm Platz, Liebchen«, lud er mich ein, indem er mir mit dem Fuß einen Stuhl hinschob. »Du bist neu in der Gegend, nicht wahr? Ich glaube nicht, daß ich dich hier schon mal gesehen habe. Soll ich dir etwas zu trinken bestellen?«
»Seid Ihr nicht ein bißchen jung, um Stammgast in üblen Spelunken zu sein, Meister Yarblek?« fragte ich ihn, während ich auf dem hingeschobenen Stuhl Platz nahm.
»Ich bin nie jung gewesen, Liebchen«, tat er sich wichtig. »Ich war schon erwachsen, als ich zur Welt kam. Ich wurde mit Starkbier aufgezogen und habe mit sieben meinen ersten Mann getötet.« Und er redete weiter – und weiter und weiter, brüstete sich damit, wieviel er trinken konnte, wie viele Männer er auf dem Gewissen hatte und daß ihm keine Frau widerstehen könne. Seine Miene und sein schnelles, leichtes Lachen schienen mir allerdings zu verstehen zu geben, ich müsse nicht alles glauben, was er erzählte, und er versuche mich nur zu unterhalten. Alles in allem hielt ich ihn für einen schäbigen, prahlerischen Halbstarken, aber ich bekam ein paar Hinweise darauf mit, daß er viel klüger war, als es den Anschein hatte. Außerdem war ich mir ziemlich sicher, daß er, vorausgesetzt ihm unterliefen keine schwerwiegenden Fehler, tatsächlich alt genug werden würde, um erwachsen zu werden. Und in diesem Fall wäre er allem gewachsen, was man von ihm erwartete.
Ich gestehe, der Gedanke, er könne eine Geschäftsverbindung mit Prinz Kheldar eingehen und einer der reichsten Männer der Welt werden, kam mir nicht.
Nach einer Weile hatte ich seine Selbstbeweihräucherung satt. »Du siehst müde aus«, legte ich ihm nahe.
»Ich werde nie müde, wenn ich mich mit schönen Frauen unterhalte«, sagte er. Dann fielen ihm die Augen zu, und er begann zu schnarchen.
In Anbetracht seines Zustandes war es wahrscheinlich überflüssig, aber um wirklich sicherzugehen, löschte ich seine Erinnerung an unsere Begegnung – und die des Mannes hinter der Theke gleich mit.
»Mutter«, schickte ich meine Gedanken nach ihr aus, als ich das Rattennest verließ.
»Ja, Pol?«
»Ich habe Yarblek gefunden. Er ist noch ziemlich jung, wirkt aber recht vielversprechend – falls er bei seinem Lebenswandel alt wird.«
»Ich habe es aus verläßlicher Quelle, daß dem so ist, Pol. Können wir ihm vertrauen?«
»Vermutlich sollten wir es nicht, aber ich habe das Gefühl, wir könnten es wagen.«
»Wir bleiben noch eine Weile hier. Du kannst ja von Zeit zu Zeit nach ihm schauen und sehen, wie
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