Polizei-Geschichten
vier Kinder. Die beiden
ältesten Söhne studirten eben auf der Universität, die sich
am Orte befand, der dritte besuchte noch die Schule, und
das jüngste Kind, ein Mädchen Namens Charlotte, sollte
in Kürze nach einer Pensionsanstalt gegeben werden. Die
beiden Studenten galten in der Stadt als flotte Gesellen.
Sie waren in eine Verbindung eingetreten, machten allen
in solchem Fall nothwendigen Luxus und „Ulk“ mit, und
renommirten auf Mensur, Kneipe und sonstigen Gelegen-
heiten bestens für ihr Corps. Sie waren, was man so ein
paar „Hähne“ nennt, und standen bei Philistern, Weibern
und Kommilitonen wohl angeschrieben.
Eines Abends kamen sie in trunkenem Zustande von
ihrer Kneipe und stießen dicht vor der Thür taumelnd auf
eine in einen Mantel gehüllte Gestalt. Mit barschen Wor-
ten forderte der Fremde sie auf, ihm aus dem Wege zu
gehen, die beiden Studenten aber lachten und hielten ihn
fest, um ihm ins Gesicht zu sehen. Der Unbekannte stieß
sie heftig zurück, es fielen Beleidigungen und die Studen-
ten begannen zu Thätlichkeiten zu greifen. Der Fremde
trat nun einen Schritt zurück und verlangte Genugthuung
für diesen Schimpf, die Beleidiger gaben ihm ihre Namen
und Arthur — denn er war es — ihnen den seinigen.
Am andern Morgen ging Arthur zu seinem Freunde
Eduard, der seit einigen Tagen in die Ferien gekommen war,
ihn aber aus Schonung für seine Lage nicht gleich hatte be-
suchen wollen. Eduard erschrak über das bleiche Aussehen
seines Freundes, aber wie wurde er erst in Erstaunen ge-
setzt, als Arthur ihm den Zweck seines Besuchs erzählte!
„Du hattest in unserm Streit über Konsequenz und Prin-
zip vollkommen Recht, mein Freund,“ erwiderte Arthur
auf den Ausruf der Verwunderung. „Ja, das absolute Prin-
zip ist schlecht wie jeder Absolutismus. Die Menschenna-
tur schüttelt ihr Joch doch zuletzt ab, — wenn sie erst
bis zum Ersticken darunter gelitten hat,“ fügte er langsam
hinzu.
„Aber wenn Du Dich auch zum Duell entschlossen
hast, weshalb wählest Du nicht gewöhnliche Waffen? Mir
scheint wenigstens, daß kein besonderer Grund zur Aus-
nahme vorliegt.“ —
„Ich kann nicht schlagen,“ erwiederte Arthur. „Es wäre
Thorheit gegen diese Leute.“ —
„Und kannst Du denn schießen?“ fragte Eduard noch
immer erstaunt. Arthur lächelte mit besondrem Ausdruck
und sagte:
„Ich habe es in letzter Zeit einigermaßen geübt.“ —
Die Studenten waren ebenfalls erstaunt über die Art
der Forderung, nahmen dieselbe aber doch an. Es wurde
verabredet, am folgenden Morgen nach einem geeigneten
Platz zu fahren, und — falls Arthur nicht schon in dem
ersten Duell verwundet würde — beide nach einander
abzumachen.
Am andern Morgen trafen sich die Parteien zur be-
stimmten Stunde. Beide grüßten sich mit höflicher Gleich-
gültigkeit und nach kurzer Verhandlung über die üblichen
Förmlichkeiten und Bedingungen maßen die Sekundanten
die Distanzen ab. Arthur erschien an diesem Tage aufge-
räumter als sonst. Er hatte sich auf der Hinfahrt sehr leb-
haft und heiter mit Eduard und seinem Arzt unterhalten,
so daß Eduard, der von Arthurs Gemüthsstimmung nichts
wußte, die beste Hoffnung für die Wiederkehr seiner Ruhe
und Gesundheit faßte. Die beiden Studenten waren gleich-
gültig und ruhig, sie ordneten selbst einige Vorbereitungen
an, und benahmen sich überhaupt wie Leute, denen der-
gleichen nichts Neues mehr ist. Zuerst trat der ältere Bru-
der auf die Mensur. Die Sekundanten fragten noch einmal,
ob die Parteien ihre Sache nicht auf friedliche Weise bei-
legen wollten, als sie aber von keiner Seite Antwort erhiel-
ten, wiederholten sie ihnen die Bedingungen des Duells:
nach dem gegebenen Zeichen konnte Jeder im Kommando
schrittweise vorrücken bis an die Barriére des in der Mitte
abgesteckten Raumes, dazwischen aber blieb es ihm über-
lassen, stehen zu bleiben und zu schießen, wann er wollte.
Darauf wurde das Zeichen gegeben.
Beide rückten vor. Nach dem ersten Schritt blieb der
Student stehen, zielte und schoß. Arthur rückte ungestört
weiter, sein Gegner hatte gefehlt. Der Unparteiische sah
die beiden Sekundanten an, und zählte langsamer, und die
Sekundanten blickten in banger Neugierde auf Arthur. Es
war Jedem, als müßte derselbe nun doch auch still stehen
und schießen. Aber Arthur schritt im Takt des Zählens
ruhig weiter — bis an die Barriére. Dann erhob er erst die
Pistole
Weitere Kostenlose Bücher