Polizei-Geschichten
Arbeit
verlieren würde, und dann hätten ihn ja seine Ersparnisse,
seine Geschicklichkeit und sein zu dem Ziel verdoppelter
Eifer vielleicht bald in den Stand setzen können, eine
eigne Werkstatt anzulegen. Aber das Uebel verzog sich
nicht, und eine düstere Niedergeschlagenheit bemächtigte
sich des Unglücklichen. Seine treue Verlobte verbarg ihren
eignen Kummer über sein Mißgeschick und suchte ihn zu
trösten und so viel als möglich mit Hoffnungen zu trösten,
an die sie selbst nicht glaubte. Schenk konnte nicht an-
ders glauben, als daß ihm unter solchen Verhältnissen eine
trübe Zukunft bevorstand.
Der Meister mußte jedesmal in den stillen Monaten, wo
es weniger Arbeit gab, einige seiner Arbeiter entlassen. So
lange Schenk im Besitz seiner vollen Kraft und Thätigkeit
war, hatte er nicht nöthig gehabt, um sein Unterkommen
besorgt zu sein, jetzt machten ihn tüchtigere Arbeiter sei-
nem Meister entbehrlich. Der Mann war nicht hart gegen
ihn gewesen. Er hatte Schenk von früher als einen brauch-
baren, ordentlichen und willigen Arbeiter schätzen gelernt
und wollte ihn wegen seines Unglückes nicht von sich sto-
ßen. So lange er noch die Hoffnung hatte, daß der schwa-
che Arm des Gesellen sich an die Arbeit gewöhnen würde,
hatte er Nachsicht und Geduld mit ihm gehabt. Als sich
jedoch diese Hoffnung verlor, vermochte er nichts mehr
für Schenks Zukunft zu thun. Er stellte ihn in die zweite
Klasse der Arbeiter, gab ihm nur geringere Arbeit, welche
weniger Sorgfalt und Kraft erforderte, und beschränkte
demgemäß seinen frühern Lohn. Schenk verlor dabei die
Lust und Liebe zur Arbeit, denn er fühlte sich unverschul-
deter Weise gedrückt. Der Meister machte ihm jetzt zum
erstenmal Vorwürfe wegen Nachlässigkeit und wies ihn
zu größerem Eifer an. Allein Schenk war überhaupt nicht
mehr der alte. Seine Lage hatte ihn finster und mürrisch
gemacht, und die Ermahnungen des Meisters fanden statt
der gehofften Willfährigkeit einen verschlossenen, wider-
spenstigen Trotz. So kam es denn, daß bei der nächsten
stillen Zeit der Tischler unter andern Gesellen auch Schenk
von dem Meister entlassen und arbeitslos wurde.
Nach mehreren vergeblichen Versuchen, bei andern Mei-
stern ein Unterkommen zu finden, entschloß sich Schenk,
seine Lage jenem reichen Manne zu offenbaren, der die
erste Ursache seines Unglücks war. Er hoffte im Stillen,
daß ihm jener den Grundstein zu einem selbstständigen
Erwerb legen würde. Eine mittelmäßige Summe reichte
hin, ihm eine Werkstatt zu gründen. Dann wollte er sich
Gesellen halten, und wenn er auch selbst nicht viel zu ar-
beiten vermochte, so konnte er doch durch sein Geschick
und seine Erfahrung die Arbeit leiten. Damit, so hoffte er,
wäre ihm eine erträgliche Existenz geschafft gewesen, auf
die hin er alsdann zu heirathen gedachte.
Der vornehme Herr hörte ihn gelassen an. Er schien
wohl zu fühlen, daß er allein der eigentliche Quell des Miß-
geschicks des Arbeiters war, betrachtete aber seine Ver-
mittlung als eine Sache der bloßen Mildthätigkeit. Schenk
wurde auf den folgenden Tag zurückbestellt, und als er
sich zur bestimmten Stunde einfand, händigte ihm der
Kassirer im Namen seines Herrn eine kleine Summe Gel-
des ein. Als Geschenk zur augenblicklichen Unterstützung
war die Summe nicht unbedeutend, allein um Schenk, wie
er gehofft hatte, in Stand zu setzen, sich eine Zukunft zu
gründen, hätte es vielleicht des Doppelten bedurft. Schenk
war daher angewiesen, das Geld allmählig zu verzehren.
Der Arme, der nach qualvollem vergeblichem Mühen
rettungslos im Jammer seines Elends sitzt und täglich die
Glücklichen im Glanz ihres ererbten Reichthums sieht,
giebt sich gewöhnlich den thörichten Hoffnungen auf den
unwahrscheinlichsten, entferntest liegenden Zufall hin,
welche die kaltblütigen reichen Spekulanten wahnsinnig
nennen werden. Wenn der Arme seine letzte Hoffnung
auf eine Nummer des Bankhalters setzt, so schilt ihn die
gesunde Vernunft einen verächtlichen Thoren, indem sie
ihm das Betrügerische und Unmoralische des Spiels aus-
einandersetzt. Der reiche Kaufmann, der in einer Handels-
krise seinen ganzen Besitz verliert, wird gewöhnlich nur
bedauert. Im Grunde aber läuft Alles auf dasselbe hinaus.
In einer Welt, wo der Besitz das Höchste ist, spekulirt und
spielt Jeder, je nach seinem Vermögen, und die gesunde
Vernunft dessen, was man ehrlichen Handel nennt,
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