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Polski Tango - Eine Reise durch Deutschland und Polen

Polski Tango - Eine Reise durch Deutschland und Polen

Titel: Polski Tango - Eine Reise durch Deutschland und Polen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Soboczynski
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hab ich nichts gesagt. In Deutschland hat man sich dann schnell daran
     gewöhnt, kam ja viel Geld in die Kasse. Aber ich hab auch hier immer geguckt, daß mich keiner sieht. Ich hatte mal eine Putzstelle
     in der Löhrstraße, in der Fußgängerzone, mitten in der Stadt. In einem Schuhladen. Die Leute, die gingen zur Arbeit, und gerade
     Montag morgens, da war dann vor dem Laden die Kotze und manchmal dann Hundescheiße und manchmal beides. Und einmal war ich
     das am Wegmachen, als die Mutter von einem Schulfreund deines Bruders vorbeikam. Die hat mich dann gesehen.«
    Daß Frauen putzen gingen, meine Mutter, meine Tanten, die Freundinnen meiner Eltern, das war so selbstverständlich wie unhinterfragbar.
     Erst jetzt erfahre ich von der Scham, die sorgsam unter den Teppich gekehrt wurde. Seitdem ich sechs war, dem Zeitpunkt unserer
     Aussiedlung, habe ich viele Jahre lang nur Frauen kennengelernt, die mit Putzen Geld verdienten. Nur einmal habe ich eine
     erwähnenswerte Putzkrise miterlebt, die ans Eingemachte ging. Meine Tante, eine großgewachsene, robuste und eher affektkontrollierte
     Persönlichkeit, stürzte völlig aufgelöst in unser Wohnzimmer. Die |47| Scham hatte sie überwältigt. Meine Mutter hatte ihr eine private Putzstelle vermittelt, die sie als erniedrigend empfand.
     Es hing mit einem Schlüpfer zusammen. Sie sollte ihn, das kostbare und empfindliche Stück ihrer Arbeitgeberin, mit den Händen
     waschen. »So weit bin ich schon runtergekommen«, platzte es aus ihr heraus, »daß ich die Reizwäsche der Deutschen mit meinen
     bloßen Händen wasche.« Sie kündigte.
    Mutter kehrt mit einer schlichten weißen Espressotasse zurück. Sie dampft. »Nicht, daß mir das jetzt jemand übelnimmt, aber
     die deutschen Putzfrauen hier, die können meistens nicht putzen. Die machen zu viele Pausen und sind …« Sie hält kurz inne.
     »Na ja, halt Gesocks. Kaum ein wirklicher Mensch. Asoziale. Weiber ohne Kultur. Richtige Assi-Weiber. Einmal habe ich in einer
     Grundschule geputzt. Ich habe um sieben Uhr angefangen. Da hatten die schon alles unter sich aufgeteilt, haben schön die Klassenräume
     gesaugt, und ich mußte dann an die Klos ran. Fünfzehn Stück. Da hatte ich mich mit denen dann in der Wolle.« Manche polnischen
     Putzfrauen, sagt meine Mutter, seien naiv gewesen, Traumtänzerinnen. Wie Agata, ihre alte Freundin. Sie hat sich auf Privathaushalte
     spezialisiert. Ich soll da mal kurz hingehen, Agata wohnt nur einen Block weiter.
    Agata ist füllig, hat schwarzes lichtes Haar. Ich habe sie ein paarmal gesehen, während der Geburtstagsfeiern meiner Eltern.
     Mit einer Miene, die keine Widerworte duldet, wird mir zügig Bier eingeschenkt. »Immer, |48| eigentlich noch jetzt, dachte ich, ich werde reich, so richtig reich«, erzählt die 40jährige hastig und nimmt einen großen
     Schluck. »So wie man immer in Amerika sagt: ›vom Tellerwäscher zum Millionär‹. Ich habe bei den alten Omas geputzt. Einsam
     waren die, hatten Katzen oder Hunde und Kinder, die sie nicht besuchten. Ich habe gedacht, du putzt und redest mit denen und
     machst alles, und am Ende bekommst du dann das Erbe.« Sie lacht schallend. »So naiv ist das doch gar nicht. Von so Geschichten
     liest man doch in der Zeitung.« Einmal, da ging ihre erbschleichende Strategie so weit, daß sie auch die Leichenwäsche übernahm.
     »Ich dachte, wenn die Alte mir nichts gibt, dann vielleicht die Kinder vom Erbe. Zumindest ein bißchen. Ich habe die Alte
     dann gewaschen. Am Ende durfte ich mir dann dafür was von den Klamotten aussuchen. Altes Zeug. Altes Zeug hatte ich auch in
     Polen.« Wo sie denn in Polen gearbeitet habe, möchte ich wissen. Sie stutzt. »Na, ganz normal, die ganzen Putzfrauen haben
     ganz normale Stellen gehabt, mit Ausbildung. Ich hatte ein kleines Lebensmittelgeschäft, Magda war in der Bank als Angestellte;
     und deine Mutter, weißt du doch, die war Schneiderin in einer Fabrik.«
    Unter den polnischen Putzfrauen meiner Jugend herrschte eine scharfe Konkurrenz. Des polnischen Stolzes, des gesellschaftlichen
     Ansehens entkleidet, kompensierten sie ihre erniedrigende Tätigkeit mit Konsumgütern, die sie sich in Polen nicht leisten
     konnten. |49| Sie setzten sich einerseits von den Deutschen ab, die sie um ihren, aus dem bundesrepublikanischen Wirtschaftswunder gespeisten,
     Reichtum beneideten. Andererseits neideten sie den konkurrierenden Putzfrauen ihre Wohnungen, die mit noch moderneren Einbauküchen,
     mit

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