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Polski Tango - Eine Reise durch Deutschland und Polen

Polski Tango - Eine Reise durch Deutschland und Polen

Titel: Polski Tango - Eine Reise durch Deutschland und Polen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Soboczynski
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Unverwüstlich.
    Darauf angesprochen, lacht Agata beschwipst. Wir stehen an der Türschwelle. Sie gibt mir zum Abschied die Hand. Über das Treppengeländer
     gelehnt, ruft sie mir noch scherzhaft eine Antwort hinterher: »Ja, ja, die Ärmel hochkrempeln. Das hat noch keinem geschadet.«
     Ein wenig zu laut.

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    |53| 5
IN WARSCHAU
    DIE REISE HAT BEGONNEN. Von Berlin aus hatte ich einen Easyjet-Flug nach Krakau genommen. Doch nur zwei Tage später fuhr ich
     nach Warschau. Ich würde später in die südliche Metropole wiederkehren.
    Warschau zog mich an, da ich die Hauptstadt bisher kaum kannte. Als Kind war ich nur einmal dort gewesen, als meine Eltern
     bürokratische Angelegenheiten zu erledigen hatten, die mit der Ausreise in den Westen zusammenhingen. Es galt, wie ich später
     erfuhr, einen Beamten zu bestechen. Mir war Warschau nur als undurchdringlicher Moloch bekannt, meine Eltern sprachen, ihre
     Hauptstadt vor Augen, vage von der Sünde, die dort beheimatet sei, und davon, daß die Kommunisten in Warschau prächtige Paläste
     bauten und daß es dort sogar Rolltreppen gebe. Es sei die einzige Stadt im gesamten Polen, hieß es damals, die über Rolltreppen
     verfügte, das Versprechen der Moderne: im Bahnhof Warszawa Centralna.
    Dort fährt mein Zug nun unterirdisch ein. Bereits am |54| ersten Tag lerne ich eine Grundregel der Stadt kennen: Vor dem Bahnhof Warszawa Centralna warten zwei Sorten von Taxifahrern.
     Es gibt die guten Taxifahrer, und es gibt die bösen Taxifahrer. Die guten Taxifahrer halten einem schwungvoll die Mitsubishitür
     auf – natürlich die der hinteren Sitzreihe, etwa wie in L.A. –, und manövrieren einen durch die Stadt, als gefährde man hochschwanger
     die Kunstledergarnitur. Nebenher faseln sie etwas durch ihren mächtigen Lech-Wałęsa-Schnurrbart, zeigen auf das Hotel Marriot,
     ein gläsernes Hochhaus im Zentrum, das fast den stalinistischen Kulturpalast überragt, und noch bevor sie ihr Klagelied über
     die polnische Mafia, die Warschauer Preise und die EU abgesungen haben, erreicht man zwar ein wenig zerdellt, aber doch recht
     glücklich sein Ziel.
    Die bösen Taxifahrer machen eigentlich genau dasselbe. Deswegen sind die bösen Taxifahrer auch so schlecht von den guten Taxifahrern
     zu unterscheiden. Doch die bösen Taxifahrer – das erklärte mir später die grazile Dame vom Polizeipräsidium, während sie ihre
     Zigarette ausdrückte – sind nur verkleidete Taxifahrer. Ihre Schnurrbärte sind nur angeklebt, und sie fahren den einsamen
     Passagier nachts außerplanmäßig zum Jüdischen Friedhof oder zum Park Józefa Piłsudskiego. Sie zücken dann so eine alberne,
     kleine Goldfinger-Damenwaffe, und man selbst zückt behende seine Brieftasche. Nach einem prüfenden Blick in Geldscheine, Kreditkarten
     und Ausweise bitten die bösen Taxifahrer |55| einen schließlich gelangweilt darum, ihr Taxi zu verlassen. Wer geistesgegenwärtig ist, merkt sich natürlich das Kennzeichen
     des davonrasenden Autos; am nächsten Tag erfährt man leider, daß der Wagen irgendwann als vermißt gemeldet wurde. Wer Glück
     hat, dem kleben noch ein paar silberne Złoty in der Hosentasche, um die Bankkarten an der nächsten Telefonzelle zu sperren.
     Und wer Mut hat, der kann vom letzten Geld in ein neues Taxi steigen und beten, daß der Schnurrbart diesmal echt ist.
    Ich habe weder Glück noch Mut und wanke durch leere Straßen in mein Hotel. Am nächsten Morgen zeige ich den Diebstahl an.
     Mein Hotel heißt Hotel Europejski, es ist eines der wenigen Gebäude, die den Zweiten Weltkrieg überlebt haben, und selbst
     die zittrigen Portiers, die einem sehr langsam die Tür öffnen, scheinen der Vorkriegszeit zu entstammen. Sie lächeln sehr
     milde, als sie mich durchnäßt und fluchend hereinlassen.
    Auf meinem Bettkissen liegt ein kleines Schokoladenstück. »Zur Begrüßung« steht auf der gold-roten Verpackung, und ich nehme
     es als verhaltene Entschuldigung der Stadt an, lege mich ins Bett, träume von Männern mit Schnurrbärten, schlafe unruhig und
     werde am nächsten Morgen von einer Putzfrau geweckt, die ohne Klopfzeichen eingetreten ist, mich erschrocken im Bett erblickt
     und sogleich wieder kehrt macht.
     
    |56| »Vielleicht arbeiten die bösen Taxifahrer für die Mafia«, sagt die Polizistin und blickt kurz aus dem verstaubten Fenster,
     über künstliche Blumen auf dem Fensterbrett hinweg. Sie raucht eine dünne Damenzigarette, die in Polen eigentlich jede Frau
    

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