Polski Tango - Eine Reise durch Deutschland und Polen
von Menschen, mit denen man machen
kann, was man will … Dies ist eine Stadt der Kinder Gottes.«
Ach, die Sozialistische Arbeiterpartei Polens hatte es schwer mit Wojtyła. Schweigend fährt Kurleto am Błonie-Park vorbei:
einer schier unendlichen, kargen Rasenfläche, auf der sich vereinzelt aufgestellte hölzerne Fußballtore verlieren. Die Staatspartei
konnte nicht verhindern, daß der neue Papst am 2. Juni 1979 seiner Heimatstadt einen Pastoralbesuch abstattete. In den Błonie-Park
strömte die bisher größte Menschenmasse in der Geschichte Polens. Der Papst sprach vor drei Millionen Menschen, die – damals
zum Teil noch in |150| Pferdewagen – aus den entlegensten Kolchosen nach Krakau geeilt waren.
Es ist die Zeit der großen Massenbewegungen, der Papst besucht Krakau am Vorabend der Solidarność- Streiks , die blutig niedergeschlagen werden. Diesmal fällt seine Predigt vorsichtiger aus, schließlich sitzt ihm der Parteiapparat
im Nacken. Doch die Doppeldeutigkeit seiner Worte ist unüberhörbar. Durchhalteparolen: »Ihr müßt stark sein, liebe Brüder
und Schwestern. Ihr müßt stark sein. Nehmt noch einmal das ganze geistige Erbe an, das Polen heißt, zieht dieses Erbe niemals
in Zweifel, werdet seiner nicht überdrüssig.« Und dann folgt jene Botschaft, die in den aufgewühlten politischen Zeiten zu
einer Leitparole der Solidarność werden sollte: »Fürchtet euch nicht!«
Darauf angesprochen, wird Kurleto unruhig, rutscht auf dem Fahrersitz hin und her. Er war damals dabei. »Frauen fielen in
Ohnmacht, auch Männer. Es war ein bißchen hysterisch.« Kurleto streicht sich über den Schnurrbart. »Ich war ja«, fährt er
fort, »in der Solidarność nicht ganz unwichtig. Schon wenige Monate später waren sie hinter mir her. Wochenlang versteckte
ich mich in irgendwelchen Kellern von Freunden, Bekannten. Bis es nicht mehr ging.« – »Bis es nicht mehr ging?« – »Bis es
nicht mehr ging«, wiederholt Kurleto. Mehr will er nicht sagen.
Dieser erste Papstbesuch in seinem Heimatland verlief nicht ganz nach den Wünschen Wojtyłas, wurde ihm |151| doch von den Behörden der Besuch der Kirche Arka in Nowa Huta verboten. Daraufhin setzte er sich in einen Helikopter und ließ
über dem Viertel einen Blumenstrauß fallen. Diese Episode vermag seine Strategie gegenüber kommunistischen Regimes gut zu
veranschaulichen. Stets verfolgte der Papst eine Zermürbungstaktik, eine Art camouflierten Protests gegen die Sowjetherrschaft,
die er nicht wagte zu sehr zu reizen. Schon Stalin hatte einmal in höhnischer Selbstgewißheit gefragt: »Wie viele Divisionen
hat schon der Papst?«
Der Papst als charismatischer Widerstandskämpfer – es scheint, als sei dieser Aspekt seines Lebenslaufes in Deutschland weitgehend
verborgen geblieben, trotz Karlspreis und Irak-Kritik. Im Zeichen der kulturellen Befreiung aus dem Mief der Adenauer-Republik,
im antiautoritären Diskurs der 68er-Generation, der die Bundesrepublik bis in unsere Gegenwart hinein prägt, war der Papst
ein störender Fremdkörper.
Wie kein katholisches Oberhaupt zuvor stellte er sich und sein Amt mit Hilfe der Massenmedien theatralisch zur Schau: Publikumswirksam
herzte er Indianerkinder in Mexiko und Koalabären in Australien, ließ sich mit afrikanischem Kopfschmuck in Nairobi feiern
und küßte unter Blitzlichtgewitter den staubigen Boden jedes Landes, das er besuchte. Er schien nichts mehr zu lieben als
jubelnde Massen, die er bei spektakulären Gottesdiensten mit weit ausgebreiteten Armen begrüßte.
Karol Wojtyła war der Schauspieler unter den Päpsten. |152| Er schien sich stets bewußt zu sein, daß nur der Ritus, der theatralische Auftritt, den Katholizismus am Leben erhielt. Dies
vermag auch – neben seinem kirchendogmatischen Konservativismus – das Mißtrauen zu erklären, das ihm hierzulande entgegenschlug,
in einem Land mit starker protestantischer, pietistisch geprägter Aufklärungstradition. Mir scheint, man übersah in Deutschland
gerne, wie sehr gerade die theatralischen Massenveranstaltungen den Widerstand gegen totalitäre Regimes vorantrieben. »Was
in Osteuropa in den letzten Jahren geschehen ist«, notierte Michail Gorbatschow nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, »es
wäre nicht möglich gewesen ohne diesen Papst, ohne die große, auch politische Rolle, die Johannes Paul II. gespielt hat.«
Zugegeben, der Kult um Wojtyła trieb seltsame Blüten. In Wadowice,
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