Polt - die Klassiker in einem Band
Weinlaub erinnerte, an warm leuchtende Herbsttage in der Kellergasse. Das Glas war angenehm kühl in seiner Hand, im strohgelb leuchtenden Wein tanzten hellgrüne Lichter.
Die zwei Männer tranken eine gute Weile schweigend und ließen die Stille reden, mager und faltig der alte Weinbauer, der Gendarm von achtungsgebietender Leibesfülle.
Friedrich Kurzbachers Preßhaus stand ein wenig abseits der großen Brunndorfer Kellergasse für sich allein. Auf dem schmalen Güterweg, der sachte ansteigend vom Talboden zum Waldrand am Grünberg führte, gab es wenig Verkehr. In den Weingärten ringsum wurde um diese Zeit kaum gearbeitet, und die Getreidefelder waren abgeerntet. Hier fiel es Simon Polt leicht, daran zu glauben, daß die Zeit einfach den Atem anhielt, um einem Gendarmen und seinem Freund Ruhe zu gönnen.
Eigentlich gab es keinen wirklich ernstzunehmenden Grund dafür, den mittlerweile unendlich schwer gewordenen Hintern jemals wieder zu heben. Immerhin hob Polt sein Glas und schaute ins blendend helle Sonnenlicht, das durch die Tür und die kleinen Fensteröffnungen drang. „Ein Sommertag und dein Grüner, Friedrich, da fehlt nicht viel zum Paradies!“
„Jaja, der Wein paßt schon in diesem Jahr. Aber vor ein paar Tagen hab ich einen Veltliner vom Höllenbauern gekostet …, da kommt unsereiner nicht mit.“
„Glaub ich nicht“, sagte Polt, um dem Kurzbacher eine Freude zu machen.
„Dann verstehst nicht viel.“
„Auch wieder wahr“, gab der Gendarm friedlich zu. „Weißt du übrigens, daß unser Kirchenwirt, der Franzgreis, einen Zimmergast hat?“
„Nein. Was für einen?“
„Einen Wiener. Angeblich will er über unseren Wein schreiben.“
„Soso.“ Der Weinbauer hatte nicht richtig hingehört, weil ihn etwas ablenkte. Sepp Räuschl stand in der Türöffnung und wartete schweigend.
„Trinkst vielleicht auch was?“ fragte der Kurzbacher nach einer Weile.
Noch immer wortlos trat der Besucher näher, nahm Platz, griff nach dem gefüllten Glas, kostete, nickte anerkennend und grinste.
„Ist was?“ fragte Polt.
Räuschl trank noch einmal und wischte sich mit der Hand über den Mund. „In der Nacht! Wissen S’ das noch nicht, Herr Inspektor?“
„Ich war nicht im Dienst.“
„Jemand hat vors Gemeindeamt von Burgheim geschissen. Genau vor die Eingangstür.“
„Und?“
„Die Gemeindearbeiter haben’s weggeräumt, zu dritt. Tun ja alles miteinander. Auch das Saufen.“
„Da hat’s aber einer sehr eilig gehabt.“ Kurzbacher griff nach der geleerten Flasche. „Ich hol einen Frischen.“
Räuschl wandte sich an den Gendarmen. „Wenn Sie mich fragen, Herr Inspektor, Notfall war das keiner.“
„Sondern?“
„Was weiß ich. Vielleicht einer von den Jungen. Die sind ja mit dem Bürgermeister übers Kreuz seit diesem, diesem …, na …“
„Clubbing?“
„Jaja, in der Art. Möchte wissen, wer so was braucht auf dem Land. Früher hat’s ein Kirtag auch getan.“
„Mit Rauferei, nicht wahr?“
Inzwischen war der Kurzbacher aus dem Keller zurückgekommen, öffnete die mitgebrachte Flasche, schenkte nach und holte aus einer altmodischen Einkaufstasche Brot und Speck. „Zugreifen, Leute! Viel ist es nicht, war nur für mich gedacht.“
Die drei Männer aßen und tranken und redeten und tranken. Das Sonnenlicht draußen wurde rötlich und erlosch, die langen Schatten versickerten in der Dämmerung, dann wurde es Nacht. Kurzbacher hatte Licht gemacht.
Irgendwann trat Polt ins Dunkel vor dem Preßhaus, um Wasser zu lassen. Er schrak zusammen, als er neben sich eine leise Stimme hörte. „Herr Inspektor! Ist es gestattet?“
Der Gendarm kannte die Stimme und er kannte den Geruch. Kein Zweifel: Bruno Bartl stand neben ihm. Polt schob ihn ins Preßhaus. „Der Bruno ist am Verdursten, Friedrich!“
„Na, so was!“ Kurzbacher füllte ein Glas, Bartl trank es in einem Zug leer und hielt es mit bittender Gebärde dem Weinbauern hin. Nach dem dritten Glas wurde er ruhiger und setzte sich zu den Männern an den Tisch. Er wohnte unter erbärmlichen Verhältnissen in einer Weingartenhütte, und sein Alltag bestand seit vielen Jahren nur darin, sich irgendwo und irgendwie den täglichen Rausch zu holen. Aber Bartl war ein ruhiger und umgänglicher Mensch mit besseren Manieren als so mancher im Dorf, darum ließ man ihn leben, wie er es wollte. Polt schaute ihm nachdenklich ins Gesicht. Normalerweise zeigte es um diese Zeit nur noch betrunkenen Frieden. Doch diesmal meinte
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