Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Polt - die Klassiker in einem Band

Polt - die Klassiker in einem Band

Titel: Polt - die Klassiker in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haymon
Vom Netzwerk:
Polt etwas Unruhiges, Gequältes zu erkennen. „Muß ich mir Sorgen machen, Bruno?“
    Bartl senkte den Blick. „Angst hab ich. Angstvoll viel Angst.“
    „Ja, und was oder wer macht dir Angst?“
    Bartl hob den Kopf und schaute Polt aus ungewohnt klaren Augen an. „Ich. Ich mach mir Angst.“
    Räuschl lachte, und Kurzbacher legte Bartl den Arm um die schmalen Schultern. „Wie bringst du denn das fertig?“
    Bartl schwieg lange. Dann schob er sein leeres Weinglas von sich und faltete die grindigen Hände. „Mein ist die Rache, spricht der Herr.“
    Polt beugte sich überrascht vor. „Und von wem hast du das?“
    „Vom lieben Gott.“
    „Gar so lieb klingt das aber nicht.“
    „Nein.“ Bartl war aufgestanden, eine kleine, elende Gestalt. „Das ist nämlich so: Ich wachse mir über den Kopf, himmelhoch über den Kopf. So ist das.“ Dann ging er.
    Kurzbacher schaute ihm nach. „Der will sich wichtig machen, was?“
    Der Gendarm seufzte. „Wenn ich das nur wüßte.“
    Morgengrauen
    Gegen vier Uhr früh wachte Simon Polt auf. Er war nackt, das Flanell­leintuch, mit dem er sich zugedeckt hatte, lag zusammengeknüllt neben ihm. Das Beste an seinem unruhigen Schlaf waren die Träume gewesen. Erstaunlich, zu welchen erotischen Ausschweifungen sein Unterbewußtsein fähig war.
    Durch das offene Fenster klangen Vogelstimmen. Es war noch immer sehr warm.
    Indes hatte Czernohorsky, Polts roter Kater, erkannt, daß sein Mitbewohner und Ernährer aufgewacht war. Er miaute fordernd und bearbeitete mit seinen dicken Pfoten die geschlossene Schlafzimmertür.
    „Ruhe, geschwänztes Monstrum!“
    Czernohorsky intonierte einen Schrei, der das ganze Leid der gequälten Kreatur in einem mißtönenden Crescendo vereinte.
    Polt resignierte. Kaum eine halbe Stunde später saß er am Frühstückstisch, neidvoll beobachtet von seinem nur einigermaßen gesättigten Kater.
    Bis zum Dienstantritt um acht war noch Zeit. Der Gendarm entschloß sich zu einem kleinen Morgenspaziergang. Leise, um die Höllen­bauern, bei denen er wohnte, nicht zu wecken, verließ er das Haus.
    Der Höllenbauerhof stand in Burgheim, kaum zwei Kilometer von Brunndorf entfernt, wo der Kurzbacher zu Hause war. Brunndorf war immer klein gewesen. Burgheim hingegen hatte es in der Vergangenheit zur Stadt gebracht. Viel war von dieser, ohnedies sehr bescheidenen Bedeutung nicht geblieben. Aber nach wie vor hatte ein Notar sein Büro hier, und Polts Dienststelle gab es allen Rationalisierungsbemühungen zum Trotz immer noch.
    Polt mochte den frühen Morgen recht gern, dieses zögernde Licht, in dem noch eine Ahnung von Nacht war. Gemächlichen Schrittes ging er am Kirchenwirt vorbei und am Gemeindeamt, wo er die Bekanntmachungen studierte, die in einem kleinen verglasten Kästchen mit Heftklammern befestigt waren. Ein Grundstück war zur öffentlichen Versteigerung ausgeschrieben. Der Gendarm wußte, daß es – noch – dem Firmian Halbwidl gehörte. Als Bub war Polt mit ihm zur Schule gegangen, und Jahr für Jahr war Firmian der Klassenbeste gewesen. Doch später konnte er mit seinem Schulwissen nur noch wenig anfangen. Als Weinbauer kam er mehr schlecht als recht durch. Immerhin hatte er es aber zum Mesner gebracht, zum „Sakristeidirektor“, wie die Leute sagten, und darauf war Firmian merklich stolz.
    Als sich Polt der Stelle näherte, wo die Burgheimer Kellergasse in die Hauptstraße des Ortes mündete, sah er ein offenbar vielfüßiges Wesen auf sich zukommen. Bei genauerem Hinsehen war zu erkennen, daß drei Männer einander um die Schultern gefaßt hielten und so jeder jedem Halt gab. Nach unten verästelte sich die kompakte Dreieinigkeit allerdings in ein unsicher bewegtes Gewirr von Beinen. Als einer der Männer Simon Polt erkannte und die rechte Hand grüßend erhob, wurde das komplizierte Zusammenspiel der Schritte für einen Augenblick empfindlich gestört. Schnell und beinahe lautlos kam der Dreifachmensch zu Fall.
    Polt half den betagten Weinbauern, die zusammen wenigstens zweihundert Jahre alt waren, auf die Füße. „Na, ihr Helden?“
    Jetzt waren die Männer zu viert, und weil einer energisch und nüchtern die Richtung angab, erreichten auch alle anderen ihr Ziel. Nach vollbrachter Tat war Polt wieder allein. Er stand vor dem Kriegerdenkmal des Ortes. Auf einem mächtigen Sockel lag ein sterbender Löwe, der ein lautloses letztes Brüllen ausstieß. Der Gendarm glaubte, darin so etwas wie grimmige Befriedigung zu erkennen. Letztere galt

Weitere Kostenlose Bücher