Polt - die Klassiker in einem Band
Leben. So nebenbei gefragt: Was war eigentlich wirklich mit diesem Fritz Brenner los? Nur aus Ritterlichkeit hätte ein intelligenter Mann wie er wohl nicht jahrzehntelang dieses Leben geführt.“
Breitwieser lachte kurz auf. „Dieses Geheimnis teilt Fritz Brenner mit meiner Frau. Ich habe nie wirklich versucht, dahinterzukommen, weil ich, nun ja, weil ich unsere Existenz auf dem Runhof nicht gefährden wollte. Als junge Männer waren wir Rivalen gewesen. Fritz und ich. Er ein gefühlsduseliger Romantiker, aber auch hartnäckig, ich energisch, strebsam, mit klaren Zielen.“ Breitwieser warf seiner Frau einen abschätzenden Blick zu. „Vielleicht hättest du doch den anderen nehmen sollen, nicht wahr, Andrea? Oder hat er dich genommen, als er noch wollte und konnte? Dich niedergerissen wie ein Tier in seinem stinkenden Stall?“
„Sei nicht geschmacklos, Horst.“ Frau Breitwieser hatte neben Polt Platz genommen und schien kleiner zu werden, in sich hineinzusinken. „Als ich Fritz damals sagte, daß ich mich für dich entschieden hätte, gab er mir eine seltsame Antwort, ich kann sie heute noch exakt wiedergeben. ‚Einverstanden, Andrea. Aber ich bleibe in Rufweite. Vielleicht gewinne ich eines Tages ja doch.‘ Als er dann von unserem Vorhaben erfuhr, nach Brunndorf zu ziehen und den Runhof zu übernehmen, hat er uns angeboten, als Partner mitzumachen. Horst war einverstanden, wohl auch, um Stärke zu beweisen. Doch vom ersten Tag an sah ich, daß der Kampf zwischen den beiden Männern nie ausgestanden sein würde. Horst ahnte, daß Fritz nur wegen mir hierher gekommen war. Nach und nach drängte er ihn aus der Position des Partners in eine erniedrigende Abhängigkeit. Fritz vermied aber jede direkte Auseinandersetzung und zog sich immer mehr zurück. Am Ende hatte jeder der beiden sein eigenes Reich. Horst das feudale Arbeitszimmer, Fritz den mächtigen Stall.“
„Und Sie, Frau Breitwieser?“ fragte Polt.
„Grenzgängerin, was sonst.“
„Verstehe. Und als Sie damals weggelaufen sind und dann doch nicht …“
„… hätte Fritz beinahe gewonnen. Aber er hat ein zweites Mal verloren.“
„Eine andere Frage.“ Polt legte das Foto, das er von Frau Raab bekommen hatte, auf den Tisch. „Fritz Brenner hat ja den Willi als Säugling zur Tür seiner zukünftigen Ziehmutter gebracht. Dieses Bild war in den Windeln versteckt.“ Frau Breitwieser nickte. „Ich habe ihn darum gebeten, obwohl es ein Risiko für uns war. Aber der Willi sollte später wenigstens wissen, wie sein Vater ausgesehen hat.“
Polt wandte sich wieder Horst Breitwieser zu. „Jedenfalls hat mich das Foto weitergebracht. Heute ist nicht mehr viel darauf zu erkennen, doch Frau Raab konnte sich an ein Muttermal unter dem Auge erinnern. Ich muß Sie wohl nicht darum bitten, die Brille abzunehmen?“
Breitwieser schaute Polt starr ins Gesicht: „Nein. Und weiter?“
„Der Riebl hat Sie bei der Tat beobachtet, nicht wahr? Die Frieb-Brüder, Anatol und René, sind ihm in der Kellergasse begegnet.“
„Ja. Es mußte dann schnell gehen. Natürlich habe ich diesen Mann und seinen miesen Charakter gekannt. Als ich begriff, daß er gesehen haben muß, wie ich mich in der Wiese an etwas zu schaffen machte, wußte ich, daß er die Situation ausnützen würde – wie auch immer. Also rasch zurück zum Hof. Dann begab ich mich mit dem Auto zum Kirchenwirt, um mich mäßig zu betrinken. Ich bin losgefahren, und dieser Riebl war doch tatsächlich mit dem Moped unterwegs. Als er mich erkannte, habe ich sein Erschrecken ausgenützt und ihn kalt erwischt.“
Simon Polt schob Breitwieser das Foto zu. „Frau Raab, die Ziehmutter, hat mir erzählt, daß es der Willi immer wieder angeschaut hat, liebevoll und andächtig. Fast wie ein Heiligenbild.“
Plötzlich waren Risse im Gesicht des alten Mannes. Dann gefror es wieder zur vertrauten Maske. „Sie wollen mich fertigmachen, so richtig, nicht wahr?“
„Eigentlich schon.“
„Es wird Ihnen nicht gelingen.“
„Noch eine Frage. Für den Mord an Willi hatten Sie ein zwar abstoßendes, aber irgendwie plausibles Motiv. Doch die Sache mit Ihrem Sohn war erledigt, und bei Ihren verschrobenen Ehrbegriffen hätten Sie auch die Konsequenzen tragen müssen, ich meine, ohne noch einen Mord zu begehen.“
„Ich habe mich vor der Besudelung durch eine menschliche Ratte bewahrt und das Dorf von diesem üblen Element gesäubert. Und jetzt meint der Herr Gendarm wohl, auch er hätte mit seiner
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