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Polt - die Klassiker in einem Band

Polt - die Klassiker in einem Band

Titel: Polt - die Klassiker in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haymon
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unverändert. Seine Hände waren ruhig, und in seinen Augen blitzte Spott auf.
    „Originelle Idee. Und warum sollte ich das getan haben?“
    „Muß ich es Ihnen wirklich sagen?“
    „Bitte. Man lernt ja nie aus.“
    „Vielleicht, weil er Sie beobachtet hat, oben, am todten Hengst ?“
    „Dazu hätte er oft Gelegenheit gehabt. Ich komme dort nahezu jeden Tag vorbei.“
    „Ich rede nicht von jedem Tag, sondern vom Unfallstag.“
    „Denken Sie doch nach, Inspektor. Ich sagte Ihnen schon, daß eine betrübliche Autofahrt meinen Spaziergang ersetzen mußte.“
    „Nicht ganz. Vom Runhof bis zum Lößabsturz waren Sie ja doch als Fußgänger unterwegs.“
    „Sie phantasieren.“
    „Es gibt einen Zeugen, oder besser gesagt, es gab einen.“
    „Habe ich die Ehre, ihn zu kennen?“
    „Ehre war’s wohl keine. Ich rede vom Riebl Rudi.“
    „Wenn mir Zynismus gestattet ist: Dieser Zeuge redet nicht mehr.“
    „Es gibt noch einen Zeugen, und auch der ist tot.“
    „Sie sind verwirrt, Inspektor.“
    „Eine andere Frage. Ist Ihnen bei Ihren Spaziergängen oberhalb des Lößabsturzes eine kleine Gestalt aufgefallen?“
    „Natürlich. Da ist meist einer in der Wiese gesessen, dieser …, dieser Behinderte, nicht wahr?“
    „Ihr Sohn Willi, Herr Breitwieser.“
    Horst Breitwieser setzte eben zu einer verächtlichen Handbewegung an, als seine Frau neben ihn trat. „Sei endlich still, Horst. Ich ertrage es nicht mehr. Sie sprechen schon die Wahrheit, Inspektor, lassen Sie mich berichten. Willi ist Anfang 1945 in Wien zur Welt gekommen. Gleich nach der Geburt war seine Behinderung offensichtlich.“
    Horst Breitwieser schaute ins Leere. „Es gibt auch ein ehrliches Wort dafür: Idiotie.“
    „Mein Mann war wie von Sinnen. Er wollte sein unglückseliges Kind aus den Augen haben, in ein Heim stecken. Sie wissen, Inspektor, was das in dieser Zeit bedeutet hätte. Fritz Brenner war schon damals sehr mit mir befreundet. Als wir nach Brunndorf zogen, hat er den Säugling hierhergebracht und einer Frau vor die Tür gelegt, von der man annehmen konnte, daß sie für das Kind sorgen würde. Fritz ist dann mir zuliebe auf dem Hof geblieben.“
    Polt strich müde über seine Augen. „Und eines Tages ist Ihr Mann auf den Gedanken gekommen, daß jener Willi, der ihm von seinen Spaziergängen her vertraut war, sein Sohn sein könnte.“
    „Er hat es mir vor etwa zwei Jahren auf den Kopf zugesagt, und ich war ehrlich zu ihm, weil ich dachte, er wäre im Alter anders geworden. Und das war ja auch der Fall, nicht wahr, Horst?“
    „Mehr oder weniger, ja. Man resigniert eben, wird gleichgültig. Diese tägliche Begegnung war nur noch ein merkwürdiges Ritual, abstrahiert durch Distanz. Aber dann …“ Breitwieser hatte sich abgewandt und wühlte in einer Schachtel, die neben ihm stand. „Hier!“ Er warf wütend jene Ausgabe der Lokalzeitung auf den Tisch, in der die Geschichte über Willi erschienen war. „Eine erbärmliche Schmiererei, grotesk und verlogen. Darauf hätte es früher eine deutliche Antwort gegeben. In mir ist jedenfalls die alte Wut auf diese von mir gezeugte Kreatur wieder hochgekommen. Als ich sie dann einmal nicht auf ihrem Platz sah, habe ich, ohne viel nachzudenken, in der Wiese darunter Nachschau gehalten und sah den Kretin da liegen, verletzt, doch er lebte, so irgendwie wenigstens. Ich sagte: Dein Vater ist da, Willi. Und dann kam dieses verblödete, unerträgliche Grinsen! Ich habe einen kurzen Hieb gegen die Halsschlagader geführt. Man muß nur die richtige Stelle kennen, dann geht das ganz leicht, und nichts ist später zu bemerken. Ein Befreiungsschlag, Inspektor, es war getan, was längst hätte getan werden sollen. Wenn ich etwas vor mir zu verantworten habe, dann die sentimentale Reaktion meiner Frau. Damit hatte ich nicht gerechnet. – Wie sind Sie eigentlich auf mich gekommen?“
    „Wie soll ich sagen. Angefangen hat es ganz banal mit dem Gesichtsausdruck des Toten. Wenn es einen Mörder gab, dann hat sich Willi über sein Kommen gefreut. Außerdem haben Sie, Herr Breitwieser, zu den wenigen gehört, die Willi fast täglich gesehen haben. Es ist mir auch aufgefallen, daß Sie den Unfall mit dem Riebl Rudi leichter verkraftet haben als Ihre Frau. Später wurde ich dann auf die Idee gebracht, mich für Willis Vater und dessen mögliche Motive für einen Mord zu interessieren. Und bei Ihnen gibt es immerhin ein paar Indizien für eine besondere Einstellung zu, sagen wir einmal, lebensunwertem

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