Polt - die Klassiker in einem Band
Zeit.
Kratky schlug mit den Fingerspitzen einen kleinen Trommelwirbel auf die Tischplatte. „Apart! Durch den Verlust seines Gockels war also auch der Pfarrer betroffen! Sollten wir hier vor einer kriminellen Karriere auf dem Lande stehen? Ich meine, mit boshaften Anfängen und fulminant-letalem Ende? Ich meine zwar eher nein, weil Phantasie nur bei der Arbeit stört. Aber nehmen wir erst einmal ruhig an, daß es vielleicht Zusammenhänge geben könnte.“ Kratky erhob sich. „Ich sehe mich verstanden. Bis bald.“
Harald Mank begleitete ihn zur Tür, öffnete sie und schloß sie dann mit sanftem Nachdruck. „Da geht er hin, Leute! Und von uns möchte er demnächst wissen, wann und wie das Gift in den Wein gekommen sein könnte, vor allem aber, wer Gelegenheit zur mörderischen Tat hatte. Der Cabernet Sauvignon vom Höllenbauern als Mordwaffe! Na, der wird eine Freude haben. Andererseits: So kommt er wenigstens in die Zeitung. Simon, du kümmerst dich bitte gleich weiter um den Pfarrhof. Und dann hörst du dich auch sonst im Wiesbachtal um, was die arme Amalie betrifft. Alles interessiert uns. Ist ja wirklich seltsam, wie wenig man von einem Menschen weiß, den man fast zwanzig Jahre kennt. Inspektor Holzer und ich erledigen inzwischen die alltägliche Arbeit. Muß ja auch sein, nicht wahr?“
Simon Polt zog einen Telefonapparat an sich heran und wählte die Nummer des Pfarrhofes.
„Ja? Pfarrer Winter hier!“
„Ich bin’s, Simon Polt. Sie werden Ihre Ruhe haben wollen. Aber ich muß trotzdem mit Ihnen reden, möglichst bald.“
„Wir haben beide unsere Pflichten. Willst du gleich jetzt kommen, Simon?“
„Wenn’s geht?“
„Freilich. Du findest mich im Wohnzimmer, neben der Pfarrkanzlei.“
Post mortem
Als Polt eintrat, umgab ihn eine fremde Welt: schwere Vorhänge, viele Bücher und dunkel gebeizte, massive Möbel auf dem glänzend gewachsten Holzboden. Der Pfarrer saß in einem schönen, doch schon recht schäbig gewordenen Ohrenstuhl. Auf dem kleinen Tisch neben ihm stand eine Tasse Tee. „Simon Polt! Du bist herzlich willkommen hier, trotz all der Trauer.“
„Danke, Hochwürden. Wie geht’s Ihnen denn? Kommen Sie irgendwie über den Tag?“
„Ja, irgendwie. Mit dem Kochen und der Hausarbeit komme ich so einigermaßen zurecht. Und eines Tages wird die Diözese ja auch wieder eine Hilfe für mich finden. Obwohl es immer schwieriger wird. Auch die Kirche muß sparen. Viel härter trifft mich der persönliche Verlust. Die Amalie war ein positiver und heiterer Mensch, auch zur Einsicht gereift, in den letzten Jahren.“
„Und vorher?“
„Mein Gott, Simon. Sie war 27, als sie zu mir gekommen ist. Da nimmt man das Leben noch in vielem leichter. Für eine Pfarrersköchin war sie damals übrigens noch viel zu jung. Da gibt es gewisse Vorschriften, von wegen Versuchung und so. Aber ich habe sie dann doch aufnehmen dürfen.“
„Der Kurzbacher sagt, daß anfangs viel geredet worden ist.“
„Ausgerechnet der Friedrich. Selbst ein ganz schöner Schlawiner gewesen, früher.“
„Hat die Amalie eigentlich je gesagt, warum sie ausgerechnet in einen Pfarrhof wollte, noch dazu auf dem Land?“
„Ja, das hat sie. Allerdings recht allgemein, und sie wollte es vertraulich behandelt wissen. Mich bindet kein Beichtgeheimnis, Simon, aber ich möchte ihr doch diesen Wunsch weiterhin erfüllen. Es ist ohne Belang für deine Arbeit.“
„Heinz Hafner meint, sie hätte sich aus Angst ins Wiesbachtal geflüchtet.“
„Heinz Hafner. Wenn ich diesen Namen nur höre! Ich hätte ihn nie zu mir bitten sollen.“
„Und seine Beziehung zur Amalie?“
„Muß er vor sich und dem Himmel verantworten. Etwas anderes: Hat sich der Verdacht von Dr. Eichhorn inzwischen bestätigt?“
„Ja. Es war ein Gemisch aus Wein und Tollkirschensaft, das tödlich gewirkt hat.“
Der Pfarrer fuhr zusammen, seine Lippen zitterten. „Was sagst du da? Das Gift war wirklich im Wein?“
„Ja, es dürfte Ihr Geburtstagswein gewesen sein, Herr Pfarrer. Der Cabernet Sauvignon 1979 vom Höllenbauern. Schade drum.“
Virgil Winter gab vorerst keine Antwort und schaute ins Leere. Dann legte er langsam die Fingerspitzen aufeinander. „Zu meinem kleinen Weinvorrat hatte die Amalie keinen Zugriff, und auch sonst niemand. Nur mit meiner ausdrücklichen Bewilligung. Der guten Ordnung halber, verstehst du?“
„Wer kauft den Wein eigentlich ein?“
„Das erledige ich selbst, Simon. Eine gute Gelegenheit, mit dem
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