Polt - die Klassiker in einem Band
richtig gehört? Die Amalie Pröstler tot?“
„Ja. Ich weiß nicht viel. Der Mank, dein Chef, hat mich angerufen, er kennt dein Preßhaus nicht, hat er gemeint, ich soll dich holen.“
„Und was hat er über die Köchin gesagt?“
„Daß sie vergiftet worden ist. Und dich wollen sie dabei haben, weil du ja neulich beim Pfarrer eingeladen warst und so.“
Die Fahrt zum Pfarrhaus dauerte kaum drei Minuten. Ernst Holzer stand vor der Tür. „Grüß dich Simon. Sie liegt in ihrem Zimmer im ersten Stock. Geh einfach den Stimmen nach.“
Als der Dienststellenleiter, in der offenen Tür stehend, Simon Polt bemerkte, ging er ihm ein paar Schritte entgegen. Er schnupperte. „Bist du betrunken, Simon?“
„Nein. Jetzt nicht mehr.“
„Also gut. Dr. Eichhorn sagt, daß Atropin im Spiel ist, oder etwas in der Art. Und ich glaube kaum, daß die Frau Pröstler selbstmordgefährdet war.“
„Ich auch nicht. Sie ist zwar letzte Woche fürchterlich erschrocken, als sie unvermutet Heinz Hafner gegenüberstand, aber der Pfarrer meint, es wäre alles halb so schlimm gewesen.“
„Erzähl mir später Genaueres, Simon. Ich habe schon vor einer guten halben Stunde mit Landesgendarmerieinspektor Kratky telefoniert. Die Tatortgruppe aus Wien wird bald da sein. Hast du eine Ahnung, wie dieser Heinz Hafner zur Amalie gestanden ist?“
„Nein. Nur Sonntag abend, als ich ihn bei Frau Hahn getroffen habe, hat er gesagt, daß ich bitte auf seine kleine Pfarrersköchin aufpassen soll.“
„Wenn er wirklich Angst um sie hatte, war das offenbar mehr als berechtigt. Der Pfarrer hat sich mit seiner Köchin gut vertragen?“
„Sehr gut, würde ich meinen.“
„Und der Halbwidl?“
„Hat sie hoffnungsvoll angebetet.“
„Willst du einen Blick hineinwerfen, Simon?“
„Von wollen ist keine Rede.“
Amalie Pröstler lag in einem schönen altmodischen Bett auf dem Rücken. Als Polt nähertrat, sah er, daß ihre Gesichtszüge verzerrt waren und die Pupillen unnatürlich groß. Harald Mank war ihm gefolgt. „Der Mesner hat sie gefunden, als ihn der Pfarrer nach ihr geschickt hat. Sie ist verkrümmt auf dem Boden gelegen. Muß vor ihrem Tod gewütet haben wie eine Besessene. Nach seiner Aussage hat der Firmian versucht, Erste Hilfe zu leisten. Er war ja einmal beim Roten Kreuz. Dann hat er sie aufs Bett gelegt.“
„Und der Pfarrer?“
„Ich habe erst kurz mit ihm geredet. Er wirkt fassungslos und sehr traurig. Aber erst der Firmian! Am Telefon hat er geschrien, als ginge es ihm selbst ans Leben. Bei unserer Ankunft sind ihm die Tränen übers Gesicht geronnen, und jetzt sitzt er totenblaß und zitternd im Nebenzimmer. Dr. Eichhorn ist bei ihm.“
Polt schaute sich um. Eine Tischdecke, Scherben und Blumen lagen auf dem Boden. Die Einrichtung des Raumes war so, wie man es in einem alten Pfarrhaus erwartete. Nur ein modernes und bis zum letzten Platz gefülltes Bücherregal fiel auf. „Darf ich?“ Neugierig ging Polt darauf zu, nahm Bände zur Hand und blätterte darin. Viele davon waren Kochbücher, andere Romane. Namen wie Lilly Brett, Rex Stout, Kurt Lanthaler, Leon de Winter oder Paulo Coelho sagten ihm nicht viel. Doch dann stieß er auf ein Buch von Hermann Hesse, Die Antwort bist du selbst war der Titel. Polt schlug es auf und sah eine Widmung in schöner, akkurater Schrift: Zum Nachdenken. Für einen allerliebst verdrehten Kopf. Franz F.
Mit einem raschen Seitenblick auf Harald Mank stellte Polt das Buch zurück. Dann wandte er sich ihm zu. „Was jetzt?“
„Ruf im Gemeindeamt an, ob die Aufbahrungshalle für eine Obduktion frei ist.“
Noch während Polt in der Pfarrkanzlei telefonierte, hörte er quietschende Autoreifen, dann hastige Schritte. Die arme Amalie, dachte er. Jetzt muß sie zum zweiten mal sterben.
Kratky schaute mißlaunig in die Runde, während seine Leute an die Arbeit gingen. „Sehr erfreut, meine Herren. Ausnahmsweise bin ich einmal rechtzeitig verständigt worden, und der Richter hat rasch reagiert. Das gibt uns immerhin die Möglichkeit, die Sache professionell anzugehen. Darf ich Ihren Wissensstand erfahren? Gestrafft, bitte, aber in ganzen deutschen Sätzen.“
Harald Mank berichtete. Kratky zog eines seiner stets akkurat gefalteten Taschentücher hervor und wischte sich über die schweißnasse Stirn. „Verdammte Hitze. Aber immer noch besser als in der Stadt. Der Herr Pfarrer und sein Mesner sind also hier im Haus. Und dieser Heinz Hafner, wo ist der?“
Mank schaute zu Polt
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