Polt - die Klassiker in einem Band
läßt du die Karin einmal ausreden, verehrter Kollege?“
Die Lehrerin lächelte unsicher. „Um es kurz zu sagen. Es stinkt fürchterlich. Nicht auszuhalten! Ungefähr so, als hätte sich das Lehrerkollegium seit gut einem Jahr nicht gewaschen.“
„Was aber vermutlich nicht der Fall ist.“ Harald Mank bemühte sich, ernst zu bleiben.
„Die Ursache kennen wir schon“, fuhr die Lehrerin fort. „Buttersäure. Riecht intensiv nach Schweiß. Die entsprechende Flasche im Chemiekammerl ist leer.“
„Das schaut mir aber verdammt nach einem Schülerstreich aus.“
„Haben wir vorerst auch gedacht. Den ganzen Tag über hat’s Befragungen und Untersuchungen gegeben. Nichts da. Wir kennen unsere Bande. Diesmal ist sie unschuldig.“
„Und was hindert euch jetzt wirklich noch daran, Anzeige zu erstatten?“
Karin Walter warf Simon Polt einen raschen Blick zu. Der Gendarm senkte den Kopf.
Harald Mank seufzte. „Also gut. Wir wissen vorerst von nichts. Offiziell, meine ich. Zufrieden, Karin?“
„Ich weiß nicht.“
In Gottes Namen
Nach Dienstschluß rief Polt gleich Karin Walter an, erreichte sie aber nicht. Dann versuchte er es mit Virgil Winter. Doch auch der Pfarrer war nicht zu Hause.
Na gut, dann eben morgen. In dieser verfahrenen Situation war es vielleicht ohnehin besser, private Gespräche vorerst zu vermeiden. Andererseits brauchte er sich keine Illusionen zu machen. Längst war er auch persönlich in die Angelegenheit verstrickt. Der einzige, dem er einigermaßen unbefangen entgegentreten hätte können, Heinz Hafner, war mit unbekannten Zielen abgereist.
Polt schaute mürrisch auf seinen roten Kater Czernohorsky herab, der seinen Blick herausfordernd erwiderte, das Mäulchen öffnete und völlig entkräftet ein lautloses Miauen ausstieß. „Nach dem, was du angestellt hast“, brummte Polt, „gebührt dir Wasser und Brot, wenn überhaupt. Aber ich bin ja nicht so.“ Er füllte den Napf, holte dann ein Stück Selchfleisch aus dem Kühlschrank und biß lustlos im Stehen davon ab.
Polt war unruhig. Er wollte gerade das Haus verlassen, um sich beim Kirchenwirt ein wenig abzulenken, als er ein Klopfen hörte. Das konnte nur Karin sein! Als er die Tür öffnete, stand Pfarrer Virgil Winter vor ihm. „Grüß dich, Simon. Das ist kein priesterlicher Hausbesuch.“
„Sondern? Aber kommen Sie doch erst einmal herein. Wein? Bier?“
„Nichts davon. Mir ist im Augenblick mehr nach Askese. Ich möchte in Ruhe mit dir reden, und zwar außerhalb meines christlichen Amtsgebäudes. Hast du Zeit und Geduld dafür?“
„Offen gestanden: Ich hab ohnehin nicht gewußt, was ich mit diesem Abend anfangen soll.“
Virgil Winter lachte leise. „Verkehrte Welt! Ich, der den Gläubigen die Beichte abnimmt, komme zum Simon Polt, um mich auszusprechen.“
„Morgen wär ich sowieso zu Ihnen gekommen, Herr Pfarrer.“
„Mir ist es so lieber. Laß mich ein wenig ausholen. Wenn ich zu geschwätzig werde, sag es mir bitte. Bevor ich ins Wiesbachtal gekommen bin, war meine priesterliche Laufbahn alles andere als beschaulich. Gefängnisseelsorge, Arbeit mit Prostituierten, mit Drogensüchtigen. Ich habe mich den Randgruppen der Gesellschaft verpflichtet gefühlt. Eine Arbeit, die bereichert, Simon, die aber an den Kräften zehrt. Irgendwann habe ich erkannt, daß ich nicht so stark bin, wie ich das in meinem jugendlichen Überschwang glaubte. Anfangs habe ich versucht, meine bisherige Arbeit auch als Pfarrer in Burgheim wenigstens ansatzweise fortzuführen und mich weiter mit meinen Schützlingen zu treffen. Es hat nie richtig funktioniert, und Gerede gab es natürlich auch. Ich mußte schließlich einsehen, daß ich ohnehin nur mein schlechtes Gewissen beruhigen wollte. Den Rest meiner Biographie kennst du ja einigermaßen.“
„Und die Frau Pröstler?“
„Ich hatte gerade vor, auf sie zu kommen. Als sie wegen der Stelle als Pfarrersköchin bei mir vorsprach, war mir gleich klar, daß einiges nicht stimmen kann. Ich habe ja Augen im Kopf und konnte nicht übersehen, daß sie verdammt hübsch war. Und wer ein glänzendes Zeugnis eines berühmten Wiener Restaurants vorweisen kann, braucht nicht für einen Pfarrer zu kochen. Nach ihren Worten hatte menschliche Bosheit eine steile Karriere in Wien zunichte gemacht. Von Heinz Hafner hat sie mir erst neulich erzählt. Er soll mit seinen Gemeinheiten aber nur den letzten Anstoß zur Veränderung gegeben haben. Schon lange ist die Amalie mit dem
Weitere Kostenlose Bücher