Polt - die Klassiker in einem Band
unerträglichen Erfolgsdruck in ihrer Branche nicht mehr fertig geworden. Sie war nur noch ein junges, schönes Wrack.“
„Wir wissen inzwischen schon ein wenig mehr über die Angelegenheit.“
„So? Es muß mich nicht interessieren. Für mich ging es damals um einen psychisch gefährlich labilen Menschen, der überdies massive Alkoholprobleme hatte. Die Bedenken der kirchlichen Obrigkeit waren mir da ziemlich egal. Ich habe ihr neues Leben im Pfarrhaus irgendwie auch als Therapie gesehen. Aber ich mach mir nichts vor: Wir beide waren aufeinander angewiesen, und der Vorteil war überwiegend auf meiner Seite.“
„Und gar so streng dürfte die Betreuung Ihrer Mitarbeiterin ja auch nicht ausgefallen sein, hab ich recht?“
„Es war eine Gratwanderung. Einerseits hat sie ganz einfach neue Beziehungen gebraucht, ungeachtet irgendwelcher Moralvorstellungen. Das war zu respektieren. Andererseits hat dabei in dieser Gegend natürlich fast immer auch das Trinken mitgespielt. Und im Prinzip sind wir dieses Problem bis zuletzt nicht losgeworden, obwohl wir es so ziemlich unter Kontrolle hatten.“
„Daher also die geleerte Flasche mit dem tödlichen Wein!“
„Ja. Wenn sie trinken wollte, hat sie immer eine Möglichkeit gefunden. Aber ich erzähle doch besser vom Anfang an. Ihre neuen Bekannten waren damals ganz klar in zwei Gruppen geteilt. Die einen waren gestandene Mannsbilder, mit denen sie ihren Spaß haben konnte. Tiefergehende und dauerhafte Beziehungen sind daraus nie entstanden. Die anderen waren eher schräge Typen: labil, sensibel, ein wenig verrückt vielleicht, nicht selten zu Extremen neigend. Zu denen hat sich die Amalie ernsthaft hingezogen gefühlt.“
„Und Sie waren nicht gerade begeistert davon.“
„Ja und nein. Es ging ja um durchaus interessante Menschen. Auch waren es keine flüchtigen Abenteuer. Manche dieser wilden oder auch skurrilen Beziehungen haben bis in die jüngste Vergangenheit gehalten. Ich wollte der Amalie nie mit dem erhobenen Zeigefinger kommen, aber ihr doch die Sicherheit geben, in mir eine verläßliche Orientierungshilfe zu haben, oder auch handfeste Unterstützung im Notfall. Und natürlich mußte ich auch stets um den guten Ruf des Pfarrhauses besorgt sein.“
„Und wenn sie zum Beispiel wieder einmal mit dem Fürst Franzl ein paar Tage und Nächte durchgemacht hat?“
„Anfangs war mir das nicht einmal unrecht. Der Herr Fürst ist ja ein blitzgescheiter Kerl und ein guter Mensch, ohne Wenn und Aber. Doch mit den Jahren hat dann der Alkohol eine ungute Hauptrolle gespielt. Immerhin hat der Lehrer mit sich reden lassen, auch noch in der Zeit, als er sich selbst mehr und mehr aus den Händen verloren hat.“
„Und der Bruno Bartl?“
„Mein Gott, der! Der Bartl war auch schon vor zwanzig Jahren ein sanfter Wirrkopf, aber noch nicht so mitleiderregend wie heute, und auch ein recht origineller Gesprächspartner. Am Ende ist eine rührende, aber auch gefährliche Beziehung übriggeblieben. Die Amalie hat den Bartl mit Essen aus dem Pfarrhaus versorgt, und ihm ist es stets gelungen, irgendwo für sie ein paar Flaschen Wein zu erbetteln. Das Bild hättest sehen sollen, Simon! Die zwei, wie Philemon und Baucis unter einem Busch, satt, betrunken und schlafend. Dennoch habe ich das auf die Dauer nicht dulden können. Das heißt, ich wollte wenigstens die Zahl der Gelegenheiten verringern und habe den Bartl recht deutlich gebeten, nicht mehr ohne mein Wissen ins Pfarrhaus oder in den Pfarrgarten zu kommen. Ja, und dann gibt es auch noch meinen ganz und gar unersetzlichen Mesner.“
„Der nicht sehr gut auf Sie zu sprechen ist, nicht wahr?“
„Weiß ich. Was ihn und die Amalie betrifft, habe ich dir ja schon Auskunft gegeben, Simon. Einerseits war er nicht der Mann, der ihr den Kopf hätte verdrehen können. Andererseits hat er es immer wieder geschafft, sie aus dem Gleichgewicht zu bringen, sogar ohne Hilfe von Alkohol. Dann konnte er sich als unentbehrliche Stütze in ihrem Leben präsentieren. Die Methode ist einfach: Man provoziert einen schrecklichen Katzenjammer und erweist sich später als verständnisvoller Zuhörer und einfühlsamer Tröster. Wie sich der Firmian überall wichtig macht, hat er es auch in dieser Beziehung getan.“
„Sie mögen ihn auch nicht besonders?“
„Stimmt. Was ich dir jetzt erzähle, Simon, hat auch mit der Rivalität zwischen Männern zu tun. Mir ist die Amalie in den zwei Jahrzehnten richtig ans Herz gewachsen, und nur
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