Polt - die Klassiker in einem Band
Oder den Zorn eines heute verschmähten Liebhabers von früher? Und wenn wir schon offen miteinander reden: Vor Jahren hat es im Pfarrhof ein paar ziemlich dramatische Auftritte von betrogenen Ehefrauen und Freundinnen gegeben. Und Gift wird doch eher Frauen als Waffe zugeschrieben, nicht? Aber der Sturm von damals hat sich doch längst gelegt.“
„Oberflächlich ja.“
Der Pfarrer legte den Kopf schief. „ Keine Glut, kein Feuer, kann brennen so heiß, wie heimliches Nachtlicht, von dem niemand was weiß. Meinst du das, Simon?“
„Ja. Wir sind dabei, es zu überprüfen. Schön wär’s, wenn ich mich besser auskennen würde mit den Frauen. Vielleicht war ich wirklich bisher auf der falschen Hochzeit. Noch was, Herr Pfarrer, Ihre Erbschaft. Haben Sie schon länger gewußt, daß Sie im Testament stehen?“
„Freilich. Nur die Höhe der Summe hat mich dann doch überrascht. Da wird es wohl wieder Gerede geben. Daß ich das Geld nicht für mich, sondern für die Pfarre verwenden werde, sei nur so nebenbei erwähnt. Ist doch selbstverständlich.“
„Eine leichtere Frage: Was ist mit Joseph I., Ihrem gestohlenen Hahn? Irgendeinen Verdacht?“
„Dem Fürst Franz wäre so etwas jederzeit zuzutrauen. Aber der hätte ihn wahrscheinlich gebraten und dann vor meine Haustür gelegt. Ich habe aber auch eine Frage, Simon, eine leichte, aber nicht ganz passende, nach diesem Gespräch.“
„Und die wäre?“
„Kann ich jetzt doch was zu trinken haben?“
In Firmians Keller
Als der Pfarrer gegangen war, rief Polt noch einmal bei Karin Walter an und war sehr froh darüber, ihre Stimme zu hören. „Du warst beim Fürst Franzl, nicht wahr?“
„Klar, Simon. Schon einmal wegen der Buttersäure.“
„Und?“
„Natürlich kennt er sich aus damit. Sogar die Formel hat er gewußt. Und du kennst ihn ja inzwischen. Ein anderer würde einfach sagen: Ehrenwort, Karin, ich war’s nicht. Aber der Fürst Franzl hat natürlich Katz und Maus mit mir gespielt.“
„Und was meint die Maus?“
„Daß die Katz keine Krallen mehr hat. Außerdem trifft der Streich seine ehemaligen Kollegen und damit auch mich. Das kann er nicht gewollt haben.“
„Aber irgend jemand hatte einen Grund, euch was anzutun.“
„Uns oder den Leuten im Wiesbachtal überhaupt, wenn ich an die anderen Vorfälle denke. Aber lassen wir es dabei, Simon. Ich bin todmüde.“
„Ins Bett mit dir, Karin!“
„Wie du das sagst!“
„Väterlich.“
„Ach so.“
Auch Simon Polt war müde, doch nicht schläfrig. Er entschloß sich zu einem kleinen Spaziergang.
Die Fenster des Kirchenwirts waren schon dunkel. An einem Wochentag kamen abends kaum Gäste. Von der nahen Plakattafel schaute ein Landespolitiker hellwach, vertrauenerweckend und zukunftsorientiert auf die menschenleere Straße. Auf einem kleineren Anschlagbrett war der nächste Radwandertag angekündigt. Simon Polt freute sich schon darauf. Fast alle Wiesbachtaler würden mitmachen, auch sehr junge und ganz alte. An die dreißig Kilometer waren zu bewältigen, zwischen Weingärten und durch Kellergassen. Zahlreiche Labestellen erquickten die Sportler so erfolgreich mit Grünem Veltliner und Blauem Portugieser, daß die anfangs dynamische Art der Fortbewegung mehr und mehr in geruhsames Gleiten überging, das auch vollends zum Stillstand kommen konnte, wenn eine Preßhaustür gar zu einladend offenstand. Und dann erst die Tombola, launig moderiert vom Präsidenten des Radsportvereines, der sich so nebenbei auch als Schulwart und Totengräber bewährte. Im vergangenen Jahr hatte Simon Polt ein Plastiktäfelchen mit der Aufschrift „Im Weine liegt Wahrheit“ gewonnen.
Eine ziemlich makabre Weisheit, wenn er an den Tod der Pfarrersköchin dachte. Dennoch besserte sich seine Laune allmählich. Er schaute himmelwärts. Die wenigen Burgheimer Straßenlaternen überstrahlten die Sterne nicht und ließen den Mond leuchten, rund und voll, wie er war.
Als sich Polt dem Kriegerdenkmal näherte, stutzte er. Er begann zu laufen und sah dann deutlich eine menschliche Gestalt, die rittlings auf dem Löwen saß und eben dabei war, einen großen Damenhut mit einer Kinnschleife am steinernen Kopf des Tieres zu befestigen. Der Mann hörte Polts Schritte, erschrak und schaute auf den Gendarmen herab. Dieser hielt vorsichtshalber einen Fuß des Reiters fest. „Guten Abend, Herr Paratschek! Fasching ist aber schon lange vorbei!“
„Du lieber Himmel, jetzt bin ich dran! Darf ich absteigen?“
Polt
Weitere Kostenlose Bücher