Polt - die Klassiker in einem Band
Er hatte ein großes, flaches Gesicht. Der Gendarm glaubte so etwas wie behäbige Brutalität darin zu erkennen.
„Der Chef kann’s nicht leiden, wenn man ihn bedroht.“
Polt sah eine große Faust auf sich zukommen. Knapp vor seinem Gesicht wurde der Schlag aber jäh abgebremst und ein Zeigefinger schnellte hoch.
„Hat Respekt vor Tapferkeit, der Chef, aber nur einmal.“ Polt spürte, wie die nunmehr flache Hand schwer auf seine Schulter fiel, und mußte an Rüdiger Neumann denken. Er hörte eine Stimme hinter seinem Rücken. „Wenn Sie bitte einsteigen möchten.“
Kaum zwanzig Minuten später war Polt zu Hause. Er rief gleich Karin Walter an, die er in ihrer Schule erreichte. Die Buben, sagte sie, hätten wohl das Ärgste hinter sich. Dann ging Polt zum Hof von Karl Fürnkranz und klopfte an das Fenster, hinter dem Martins Zimmer war. Er klopfte noch einmal, das Fenster wurde geöffnet. „Herr Polt! Was ist los?“
„Wo ist dein Vater?“
„Im Keller.“
„Sehr gut, ich muß mit dir reden, dringend.“
Polt trat ein. „Komm mit nach hinten, da stört uns niemand.“ Im rückwärtigen Teil des Hofes gab es leere Schweineställe. Auf der gegenüberliegenden Seite verband die „Tretten“, ein überdachter Säulengang, verschiedene Arbeitsräume. Polt blieb stehen. „Ich war in Znaim, Martin, und habe mit Claus Scheidt geredet.“
„Allerhand!“ Der junge Fürnkranz grinste unsicher. „Dann wissen Sie also Bescheid?“
„So einigermaßen. Wie war das mit euren Fahrten nach drüben? Nur wegen der Monika?“
„Was den Alten angeht, ja. Aber ich hab’s auch sonst irgendwie aufregend gefunden. Ganz anders als bei uns, wo nur tote Hose ist. Und der Dvorak ist ein cooler Typ, hab ich wenigstens immer geglaubt.“
„Die rechte Hand vom Chef, nicht wahr?“
„Mehr. Der kommende Mann. Nur der Scheidt hat noch keine Ahnung davon.“
„Und wie steht der Dvorak zu deiner Schwester?“
„Vielleicht hat sie was mit ihm. Vielleicht auch nicht.“
„Was habt ihr denn so geredet miteinander? Hat sie erzählt, was los war in den letzten Jahren?“
„So gut wie nichts. Sie wollte wissen, was es Neues gibt im Wiesbachtal und wie es uns geht.“
„Welche Rolle hat denn der Lutzer gespielt, drüben?“
„Weiß ich nicht. Der Heinz Dvorak war viel mit ihm beieinander.“
„Und wie ist der Lutzer zu deiner Schwester gestanden? Sie kennt ihn ja von früher.“
„Was damals war, hab ich natürlich nicht mitbekommen. Aber in Znaim hat der Lutzer nichts zu lachen gehabt mit ihr.“
„Und dann liegt er auf einmal tot in eurem Preßhaus. Wie kommt er da hinein? Vielleicht war die Tür offen?“
„Doch nicht in der Nacht. Mein Vater war nur am Abend dort.“
„Nicht nur.“
„Was sagen Sie da?“
„Er ist beobachtet worden, wie er gegen halb zwei Uhr früh noch einmal den Hof verlassen hat. Aber er muß natürlich nicht ins Preßhaus gefahren sein. Andererseits: wohin sonst?“
Martins Gesicht wirkte wie eingefroren.
„Na, Martin?“
Schweigen.
„Komm einfach zu mir, wenn du reden möchtest, oder ruf an.“
„Einfach so, nicht?“ Jetzt lächelte der junge Fürnkranz.
Bartl
Am Abend trat Polt seinen Dienst an. Im Bereitschaftsraum sah er Rüdiger Neumann und Ernst Zlabinger, die sich über einen Plan beugten, der auf dem großen Tisch ausgebreitet war. Neumann blickte auf. „Guten Abend, Kollege Polt. Heute nacht geht’s den Alkohol-Lenkern an den Kragen. Wir planen gerade die Einsatzschwerpunkte.“
Polt warf einen Blick zum Fenster. Draußen war es schon dunkel. „Ich glaube, ich muß was anderes tun.“
„So? Sie glauben? Es geht also doch was weiter im Fall Fürnkranz?“
„Könnte sein, ja.“
„Ist es wirklich zuviel verlangt, Kollege Polt, wenn ich Sie in aller Form ersuche, Ihre düsteren Ahnungen zu präzisieren?“
„Es ist zuviel verlangt. Ich sage das nicht aus Sturheit. Und ich hab auch eine Bitte: Lassen Sie mir ein paar Tage freie Hand. Es kommt mehr dabei heraus, glauben Sie mir.“
„Simon Polt, der einsame Wolf, wie?“
„Auf Beute war ich noch nie aus.“
„Gesetzt den Fall, ich untersage Ihnen diese eigensinnigen Streifzüge?“
Polt schwieg.
„Ein beredtes Schweigen, das muß der Neid Ihnen lassen. Nun, ich kann Sie nicht gut festbinden. Aber ich denke mir meinen Teil und ziehe meine Schlüsse daraus.“
„Danke.“
„Sie werden sich noch wundern, wofür Sie mir zu danken haben.“
Polt zog sich warm an und verließ die Dienststelle.
Weitere Kostenlose Bücher