Polt - die Klassiker in einem Band
neben Kurzbacher Platz. „Geht’s noch, Friedrich?“
„Immer.“
„Sollst recht haben.“
Karl Brunners Keller war weitläufig und klar gegliedert. Die großen Fässer lagen in einer gewölbten Hauptröhre, die ohne Krümmung in den Löß gegraben war und von der kurze Seitengänge abzweigten. Der Weinbauer stieg müde die Eisenleiter zum Spundloch hoch. „Flaschenwein gibt’s bei mir nicht“, sagte er und ließ den Wein in die Kostgläser laufen, „die Umstellung zahlt sich nicht mehr aus.“
Simon Polt schaute auf Brunners Hand, die den Tupfer hielt und mit dem Zeigefinger den Strahl des Weines lenkte: brüchige Fingernägel, faltige, rissige Haut. Dann schaute er dem Alten ins Gesicht, der den Blick bemerkte und ihn ruhig erwiderte. Es lag bestimmt auch am Wein, aber Simon Polt spürte, daß an seiner plötzlich aufsteigenden, fast schon zärtlichen Zuneigung nichts Unechtes war. „Ich möchte euch allen was sagen“, begann er unsicher, nachdem sie getrunken hatten.
„Na so was“, murmelte Josef Schachinger.
Der Gendarm ließ sich nicht beirren. „Es gibt eine Menge Gründe, schlecht über den Herrn Hahn zu denken, aber eines nehme ich ihm besonders übel: daß er es auch nach seinem Tod noch schafft, sich zwischen euch und mich zu drängen.“
Nachdenkliche Stille folgte, dann sagte Christian Wolfinger heiter und mit schwerer Zunge: „Selber schuld, der Herr Gendarm. Warum ist er auch so neugierig. Andrerseits: dieses Vergnügen wollen wir dem Arschloch von Hahn eigentlich nicht gönnen.“
Keiner widersprach, doch bald zerstörte das Geräusch eines näherkommenden Autos diese wohltuende Stille. Dann waren hastige Schritte zu hören und Martin Stelzer, der Wirt von Brunndorf, kam die Kellerstiege heruntergerannt. „Schnell, Herr Doktor“, sagte er atemlos. „Sie haben auf dem Fußballplatz gleich hinter meinem Wirtshaus den Bartl gefunden. Wenn er nur nicht tot ist: Er rührt sich nicht, und sein Kopf ist voller Blut.“
Polt auf der Bettkante
Simon Polt traute seinen Augen nicht: In einem Bett des Bezirkskrankenhauses Breitenfeld lag, angetan mit einem manierlichen Nachthemd, ein unglaublich sauberer Mensch, dessen Gesicht unter dem weißen Kopfverband nur bei sehr genauer Betrachtung an Bruno Bartl erinnerte. Er schlief.
„Wenn er dann aufwacht, können Sie ruhig mit ihm reden, Herr Inspektor“, sagte der Arzt neben Polt und betrachtete zufrieden seinen Patienten. „Es gibt viele, die einen solchen Hieb nicht überlebt hätten. Aber unser Herr Bartl hat ein beachtlich massives Denkgehäuse.“
„Mit einer bemerkenswerten Inneneinrichtung“, fügte der Gendarm schmunzelnd hinzu. Dann zog er einen Sessel nahe an die Bettkante, nahm Platz und wartete geduldig.
Er war noch müde von der vergangenen Nacht. Für die Ermittlungen am Tatort waren zwar seine diensthabenden Kollegen zuständig gewesen, aber Simon Polt hatte sich natürlich kein Detail entgehen lassen, und dann war er noch wach geblieben, bis endlich gegen vier Uhr früh die Nachricht aus dem Krankenhaus kam, daß für Bruno Bartl keine Lebensgefahr bestand. Noch fehlten Hinweise auf den stumpfen Gegenstand, mit dem er, wohl in der Absicht zu töten, niedergeschlagen worden war. Was den Kreis der Verdächtigen betraf, schien eines immerhin festzustehen: Die Gewalttat war nur in Zusammenhang mit dem toten Albert Hahn erklärbar und mit der bizarren Rolle, die Bartl in dessen Leben gespielt hatte. Der Gendarm erinnerte sich an Bartls Auftritte beim Begräbnis und später bei der Weinverkostung in Florian Swobodas Preßhaus. Es gab offenbar irgend etwas, das diesen scheuen Menschen damals zu seinem provokanten Verhalten bewogen und sein unfreiwilliges Publikum dazu gebracht hatte, ihn widerspruchslos gewähren zu lassen. Als Erpresser war der sonderliche Trunkenbold dennoch kaum vorstellbar, weil geplantes und gezieltes Vorgehen ganz einfach nicht zu ihm paßte.
Bartl, der bisher ruhig im Bett gelegen hatte, begann sich nun zu bewegen, sein Atem ging schneller, so etwas wie Angst trat in sein Gesicht, dann stöhnte er gequält und erwachte.
„Grüß dich, Bruno“, sagte Polt sanft, „schön, daß du lebst.“
Der Patient schaute den Gendarmen verwirrt und mit kindlicher Neugier an. „Aber der Herr Hahn ist tot, nicht wahr?“
„Ja, der ist mausetot. Erkennst du mich?“
Bartl dachte angestrengt nach, dann erschrak er. „Herr Inspektor Polt! Was ist? Bin ich jetzt verhaftet?“
„Hast du denn was
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