Polterabend
Schulter auf, weil sie klemmte. Als er eintrat, bot sich ihm ein seltsames Bild: Auf der kleinen Weinpresse und auf den altmodischen Möbeln lag feiner Schnee. Zwei dickwandige Gläser, die auf dem Tisch standen, waren halb mit Schnee gefüllt. Polt schaute nach oben und verstand. Sein Preßhaus war ohne Zwischendecke bis zum Dachgestühl offen. Der nächtliche Wind hatte Schnee zwischen den lose aufliegenden Dachziegeln durchgeblasen.
Polt hörte Schritte vor der Tür. Dann erkannte er den Jäger Christian Wolfinger, der wohl die nahe Wildfütterung betreut hatte.
»Na, schaust dich um, Simon?«
»Wie es sich gehört, dann und wann. Und was sagst du dazu?« Er wies in die Runde. »Ein Preßhaus, in dem es schneit!«
»Brauchst halt ein besseres Dach.«
»Sonst fällt dir nichts ein dazu? Ist doch schön so.«
»Du bist mir vielleicht ein Weinbauer. Hast überhaupt was im Keller?«
»Ein paar Flaschen schon. Magst?«
»Immer und jederzeit.«
Polt griff nach zwei Gläsern und einem Korkenzieher. Dann holte er noch Kerzenleuchter und Zündhölzer aus dem Schrank. »Da, Christan, hilf mir tragen.«
Eine schmale, steile Stiege führte außerhalb des Preßhauses zur tiefer gelegenen Kellertür. Schnee und altes Laub lagen auf den Stufen. Polt ging vorsichtig voran, räumte vor der Tür mit dem Fuß ein Stück Boden frei und schaffte es mit einiger Anstrengung, sie zu öffnen. Schritt für Schritt tauchten die Männern ins Dunkel. Das Licht ihrer Kerzen fiel auf ausgetretene Ziegelstufen, die steil nach unten führten.
Dann standen die beiden in einem bescheidenen, aber auch merkwürdigen Keller. Die schmalen Gänge, in denen noch ein paar winzige Fässer lagen, waren wie zufällig angeordnet und wurden dem Ende zu noch schmäler und niedriger. »Fast wie in einem Bergwerk, nicht wahr?« Polt griff zu einer Flasche. »Ein blauer Portugieser vom Höllenbauern, wenn’s recht ist?«
»Wird schon passen, Simon.«
Polt goß die Gläser voll und wärmte das seine in der Hand. »Ein bißchen kalt für einen Roten.«
»Ach was. So genau nehmen wir’s nicht.«
Polt schaute zur Kellertür hin. In der hellen Öffnung tanzten die Schneeflocken. »Weißt was, Christian? Jetzt ist Weihnachten.«
»Bist halt ein Romantiker, Simon. Und so was will Gendarm sein.«
»Was heißt da, ich will? Ich hab es mir nicht wirklich aussuchen können.«
»Wer kann das schon in unserer Gegend. Außer vielleicht ein Hallodri, wie der Lutzer einer war. Hat alles und nichts gemacht. Und die Schulden waren ihm scheißegal. Haben ja die anderen Angst haben müssen um ihr Geld.«
»Aber in letzter Zeit war er flüssig, sagt die Frau Habesam.
»Wer weiß, wo der Segen her war. Er hat sich ja auch viel drüben in Tschechien umgetan. Da läuft so allerhand, wie man hört, auch mit Herrschaften aus unserer Gegend... Lang hat sich der Lutzer jedenfalls nicht freuen können über das schnelle Geld.«
Simon Polt schaute ins Leere. »Möchte nicht wissen, wie es dem Fürnkranz Karl geht.« Dann gab er sich einen Ruck. »Vielleicht schau ich morgen bei ihm vorbei. Aber weißt was? Reden wir von was anderem!«
»Recht hast. Wirst du mit der Karin Walter feiern, heute abend?«
»Die ist bei ihrer Mutter im Waldviertel.«
»Also bist du allein?«
»Mit dem Czernohorsky.«
»So ist das mit uns Junggesellen. Das ganze Jahr über sind wir froh, daß keine zu Hause auf uns lauert. Aber an so einem Abend... Naja, ich werd in den Wald gehen, schöner als jede Kirche, sag ich dir, und heiliger.«
Polt schaute nachdenklich zur Stelle hin, wo er nach dem Kauf von Preßhaus und Keller seinen Namen in den Löß geritzt hatte. »So ganz und gar zu zweit..., ich weiß nicht einmal heute, ob ich das will. Jetzt bin ich gute vierzig, Christian. Da hat man so seine Gewohnheiten.«
»Und meistens schlechte. Also, ich möcht nicht meine Frau sein. Aber du hängst schon sehr an der Karin, was?«
»Ja.«
Stille Nacht
Simon Polt und Christian Wolfinger waren noch recht lange im Keller geblieben, hatten viel geredet und wenig getrunken. Sie waren nicht befreundet, aber an diesem Nachmittag einander näher als sonst. Als der Wolfinger sich verabschiedet hatte, gönnte sich Polt noch eine kleine Zeit in seiner ganz privaten Unterwelt.
Gegen Abend versperrte er die Kellertür, ging ins Preßhaus, wischte den Schnee von einem der Sessel, nahm Platz und betrachtete sein Eigentum, das eigentlich immer noch dem toten Ignaz Reiter gehörte. Im lebendigen
Weitere Kostenlose Bücher