Polterabend
Licht der Kerzenflamme wirkte der Raum behaglich, obwohl es eiskalt war. Polt hatte ein mit Rotwein gefülltes Glas aus dem Keller nach oben gebracht. Er trank ohne Hast. Dann stand er auf, blies die Kerze aus, sperrte die Preßhaustür zu und machte sich auf den Heimweg. Er würde rechtzeitig zum Abendessen kommen, die Höllenbauern hatten ihn eingeladen.
Schon in der Hofeinfahrt roch es nach Rotkraut und gebratener Gans. Polt klopfte den Schnee von den Schuhen und ging in die große Küche. Erika Höllenbauer stand am Herd, ihr Mann war gerade dabei, den Tisch zu decken, und die zwei Töchter der beiden vertrieben sich die Wartezeit mit einer Mischung aus lautstarker Ungeduld und berechnendem Wohlverhalten.
»Wann hast denn wieder Dienst, Simon?« Ernst Höllenbauer hatte einen Stapel Suppenteller aus der Kredenz geholt.
»Erst wieder morgen früh. Und am Christtag läuft es meistens recht ruhig.«
»Na hoffentlich. Geht mit dieser Fürnkranz-Geschichte was weiter?«
»Nicht viel. Nach wie vor haben wir keine Ahnung, wie dieser Lutzer ins Preßhaus gekommen sein könnte und vor allem, was er dort zu suchen hatte. Und ob sonst noch jemand mit seinem Tod zu tun hat, außer diesem unglückseligen Fürnkranz, mein ich, wissen wir erst recht nicht. Leute, die sich über den Lutzer geärgert haben, gibt’s jede Menge, enttäuschte Frauen auch, aber ein Mordmotiv seh ich weit und breit nicht. Und wenn es eins gibt: Es kommt doch niemand auf die idiotische Idee, den Kerl in eine Weinpresse zu stecken. Der Bartl dürfte irgendwas gesehen haben, nachts, beim Preßhaus vom Fürnkranz. Aber was sein verdrehter Kopf draus macht, bringt mich auch nicht weiter. Und heute abend sitzt er allein in seiner Hütte und säuft und friert. Feierlich wird er’s haben, hat er zu mir gesagt.«
»Das hat er sich so ausgesucht, Simon. Er könnt’s auch warm haben. Nicht nur einmal ist er eingeladen worden, auch von uns, und immer hat er abgelehnt. Irgendwann haben’s die Bauern dann aufgegeben.«
»Ich weiß schon.«
»Wo hast du dich den heute herumgetrieben, Simon?«
»In meinem Preßhaus war ich und im Keller. Der Wolfinger ist dazugekommen.«
»Du und dein Preßhaus! Ich weiß heute noch nicht, was du daran findest, als Gendarm, und an dem Zeug drin, dem verstaubten.«
»Ich mag’s eben. Und wer weiß, wie es weitergeht.«
»Versteh nicht.«
Polt gab keine Antwort. »Kann ich irgendwas tun?« fragte er statt dessen.
»Du bist eingeladen. Magst schon was trinken?«
»Später. Sag einmal, Ernstl, nur eine Frage: Angenommen, mich freut’s eines Tages nicht mehr - von meinem Beruf rede ich -, könnte ich bei dir im Weingarten und im Preßhaus aushelfen, fürs Wohnen und Essen?«
»Na, du kommst auf Ideen, Simon! Aber verkommen würd ich dich schon nicht lassen.«
»Danke, klingt beruhigend.« Polt verscheuchte alle Gedanken, die nicht zu diesem Abend paßten, blätterte kurz im Bauernbündler und im Winzer, die auf dem Fensterbrett hinter ihm lagen, dann legte er die Zeitungen weg. Anna, die jüngste Höllenbauer-Tochter, war neben ihm auf die Sitzbank geklettert und versuchte Polt ein Stück Schokolade in den Mund zu stecken. Ihre Schwester hatte sich von der anderen Seite her genähert und zeigte ihm ihre neuesten Zeichnungen: Engel, Elche, der Stall zu Bethlehem und ein wenig schmeichelhaftes Porträt ihrer Mutter.
Ernst Höllenbauer war nun mit dem Aufdecken fertig und setzte sich an den Tisch. Dann kam seine Frau mit dem Suppentopf. »Magst überhaupt Suppe, Simon? Oder bist du noch immer auf Diät?«
»Diät? Komisches Wort. Noch nie gehört.« Und er hatte auch schon den Schöpfer in der Hand.
Nach dem Essen lehnte sich Polt satt und müde zurück. Er hob das Glas mit dem Rotwein. »Ein blauer Portugieser?«
Sein Freund nickte anerkennend. »Ja, ein 95er. Höchste Zeit, daß er wegkommt.«
»Das kannst von mir auch sagen.« Polt tat einen ungenierten Schluck. »Ihr habt ja dann eure Bescherung und ich hab die meine.«
»Laß dir nur Zeit, Simon. Und morgen kommst Christbaum schauen, ja?«
Der Tisch wurde abgeräumt, Polt trank gemächlich aus und ging dann in den rückwärtigen Teil des Hofes, wo er wohnte. Der Schnee fiel nun wieder dichter, und es war kälter geworden. Czernohorsky erwartete ihn gleich hinter der Tür mit einer erstaunlich variantenreichen Folge klagender oder auch vorwurfsvoller Laute. »Mein lieber Kater, du bist besser als jede zänkische Ehefrau.« Polt nahm Czernohorskys Festessen
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