Polterabend
Pfarrer. Freut mich immer, wenn Sie einmal Zeit haben für uns und für die Unterwelt. Jedenfalls machen wir heute Schluß mit dem alten Jahr, auch wenn noch nicht ganz Silvester ist. Auf die Art können wir zweimal feiern. Den unfiltrierten Grünen hab ich in Doppler gefüllt, das ist praktischer so. Jeder schenkt sich selbst ein, so lang er will und kann. Und jetzt, bitte, essen und trinken. Wer weiß, wie lang es uns noch gibt.«
Polt sah, wie der an sich bedächtige Friedrich Kurzbacher mit einer ansatzlosen Bewegung sein Messer in ein großes Fleischstück bohrte und es ungeniert in den Mund schob. Er kaute, schluckte und griff nach seinem Glas. »Morgen geht’s mir schlecht, Simon. Prost!«
Auch Polt griff kräftig zu. Den hinterhältig aufkeimenden Gedanken an seine Diät brachte er mit einer Extraportion Haussulz zum Schweigen. »Kompliment, Herr Sedlacek!« rief er über den Tisch.
»Danke, Kollege Polt!«
Die Zeit verstrich, ohne daß jemand auf die Uhr geschaut hätte, der Keller war voll mit Gerüchen, Geräuschen, Gesprächen und Gelächter. Doch irgendwann legte der Kurzbacher ein schon aufgespießtes Stück Fleisch zurück und schob auch noch die Holzplatte von sich weg. »Es geht nicht mehr. Leider.«
Simon Polt, der eben noch versucht hatte, mit einer Essiggurke seinen Appetit anzuregen, nickte resignierend, griff aber zum Glas. »Werd ich mich halt flüssig ernähren, was?«
Jetzt erhob Peter Sedlacek die Stimme. »Satt sind wir so einigermaßen, also möchte ich was erzählen aus meiner aktiven Dienstzeit. Darf ich, Herr Pfarrer? Sie wissen ja, was kommt. Ja? Na, bestens. Einer Ihrer Vorgänger, Namen sag ich keinen, hat eine Hochzeit zelebriert. Na, und nachher im Wirtshaus ist er unter die Weinbauern geraten. Wenn zwei Dutzend Gäste mit einem einzigen Pfarrer anstoßen, bleibt der Arme übrig. Jedenfalls hat sich Hochwürden ziemlich schwerelos zum Auto begeben. Nebel ist auch noch eingefallen. Was soll ich sagen, er fährt und fährt und weiß immer weniger wohin, kommt auf einen Güterweg, kommt auf ein Bahngleis, und dann sind schon die Tschechen vor ihm gestanden, mit der Waffe im Anschlag. Man muß sich vorstellen, damals war noch der Eiserne Vorhang, und es ist schnell scharf geschossen worden. Aber der geistliche Herr hat selig gelächelt und sich über die Limonade gefreut, die er beim Verhör bekommen hat. Uns haben dann die Tschechen mit ein paar hämischen Bemerkungen gebeten, seine illuminierte Heiligkeit abzuholen. Was tun, frag ich euch, mit so einem unschuldsvollen Opfer des Dämons Alkohol? Nach Hause haben wir ihn gebracht, und dann wollt er uns noch auf einen Schluck Meßwein einladen. Ja ja, das waren Zeiten. Einmal...«
»Halt!« unterbrach ihn der Höllenbauer. »Ich glaub, wir machen schön langsam Schluß für heute. Wenn uns der Sedlacek noch ein paar langmächtige Geschichten erzählt, können wir uns dann die Fortsetzung von unseren Frauen anhören.«
Zustimmendes Gemurmel wurde laut, noch einmal stießen die Gläser aneinander, dann erhoben sich die Männer allmählich.
Peter Sedlacek war neben Simon Polt getreten. »Man erlebt schon was in ein paar Jahrzehnten, und durch meine Tschechischkenntnisse...«
Jetzt unterbrach ihn Polt. »Wie ist das denn heute? Wissen Sie noch immer Bescheid drüben?«
»Man hat so seine Kontakte, das reißt nicht ab. Kommen Sie mit nach oben, Kollege. Muß ja nicht jeder zuhören.«
Vor der Kellertür war es eisig kalt. Am schwarzen Himmel waren Sterne zu sehen, dazwischen die dünne Mondsichel. Polt spürte jetzt den Wein, nahm sich aber zusammen.
»Was läuft denn derzeit so, an Kriminalität, im Grenzgebiet?«
»Allerhand. Und Sie wissen ja selbst wahrscheinlich auch einigermaßen Bescheid, Herr Kollege. Alkoholschmuggel, Prostitution, Geldschiebereien, daß einem die Luft wegbleibt, na und so weiter.«
»Der Lutzer, heißt es, soll Verbindungen nach drüben gehabt haben.«
»Der? Hat mit dem Feuer gespielt, wenn Sie mich fragen. Früher oder später wär er so oder so dran gewesen.«
»Aber doch drüben und nicht in einem Preßhaus bei uns?
»Klar. Die treiben keinen Aufwand. Zack. Exitus.«
»Und hier bleibt alles am Fürnkranz hängen.«
»So können Sie das natürlich auch sehen, Kollege Polt.«
Rebschnitt
Am nächsten Morgen war es fast so kalt wie damals bei der Eisweinlese. Polt litt noch ein wenig unter den Nachwirkungen der nächtlichen Völlerei, trank nur Kaffee und servierte seinem Kater der
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