Poltergeist
trug mich deshalb einfach in das Gästebuch ein, um dann nach oben zu gehen.
Zimmer zwölf befand sich im zweiten Stock gegenüber der Treppe. Nebenan lag Raum 0-12. Ganz wie ich vermutet hatte, war die Tür zu Raum zwölf von dem hei ßen, gelben Pfeil durchdrungen. Die Séance-Räumlichkeiten von Tuckmans Geisterjägern wurden offenbar über die leuchtende Linie direkt mit dem Netzwerk des Grau verbunden.
Wenn die Teilnehmer irgendwie geartete parapsychologische oder magische Fähigkeiten besaßen, würden sie nicht umhinkommen, das Grau zu berühren oder anzuzapfen. Auf diese Weise käme auch das Grau mit der Gruppe in Kontakt. War die Energielinie bereits in dieser Position gewesen, als sie mit ihren Séancen begonnen hatten, oder war sie durch die Gruppe hierher gelenkt worden? Beides würde die plötzliche Zunahme an Phänomenen erklären, auch wenn ich nicht annahm, dass Tuckman mir das glauben würde.
Ob nun Netzwerk oder nicht – irgendetwas hatte jedenfalls die Veränderung ausgelöst. Und ich wurde dafür bezahlt, diese Ursache zu finden und nicht dafür, dass ich bewies, wie dämlich mein Auftraggeber war. Das Eindringen des Netzwerks konnte rein zufällig sein. Trotz meines ungewöhnlichen Wissens um das Grau durfte ich nicht einfach annehmen, dass es sich bei dem Problem auf jeden Fall um etwas Übernatürliches handelte – genauso wenig wie Tuckman das Gegenteil annehmen sollte! Normalerweise sind es eher Menschen als Geister, die Böses im Sinn haben. Menschen verfolgen hinterhältige Absichten und haben die nötige Phantasie, diese auch in die Tat umzusetzen. Die meisten Geister und übernatürlichen Wesen haben weder das eine noch das andere.
Ich sperrte Raum zwölf auf, trat ein und schloss die Tür
hinter mir. Die Einrichtung entsprach der eines Wohnzimmers mit einem Bücherregal, Beistelltischchen und einigem Nippes. Ein Sofa voller Kissen war an die Wand geschoben. Die verspiegelte Scheibe, hinter der die Beobachtungskabine lag, befand sich gegenüber. Ein großer runder Esstisch stand auf einem Perserteppich in der Mitte des Zimmers. Darüber hing ein Kronleuchter. In der Ecke neben der Tür war eine weiße Tafel mit kleinen Lämpchen zu sehen, die nach Farben aufgereiht waren. Einige Holzstühle standen an den Wänden. Eine Topfpflanze und eine Plüschkatze schmückten das Fensterbrett, über dem der Energiestrahl des Grau in den Raum drang.
Jemand hatte Bilder an die Wände gehängt. Ich trat näher und betrachtete sie. Es waren vor allem Fotos und Filmplakate aus den dreißiger und vierziger Jahren. Eines jedoch stellte das computergenerierte Portrait einer jungen hübschen Frau dar, die ihre Haare im Stil der vierziger Jahre zurückgekämmt hatte. Sie sah ein bisschen aus wie eine blonde Loretta Young, und in ihrem Blick lag etwas Wehmütiges.
Neben ihr hing das Foto eines Mannes in einer Fliegeruniform aus dem Zweiten Weltkrieg. An den Rändern war es bereits ziemlich eingerissen.
Dann entdeckte ich einige Teile der Ausrüstung, die offensichtlich dazu benutzt wurde, das aufzunehmen, was sich in diesem Raum abspielte. Viel war allerdings nicht zu erkennen, was mich überraschte. Ich ging in die Hocke und hob den Teppich hoch. Darunter befanden sich schwarze Buchsen, die durch Kabel mit der Teppichunterseite verbunden waren. Einige dieser Kabel stachen durch die geknüpften Wollfäden, fielen von oben aber nicht weiter auf, weil sie sich perfekt in das Muster einfügten. Wahrscheinlich
gehörten sie zu Tuckmans Apparaten, die dazu dienten, die Gespenstererscheinungen zum Leben zu erwecken. Ich sollte unbedingt jemanden bitten, sich diese Dinge einmal genauer anzusehen, da ich selbst nicht so recht wusste, womit ich es da zu tun hatte.
Schließlich wollte ich herausfinden, was Tuckmans Gruppe ohne technische Hilfe hervorrufen konnte und was mit. Wenn es echte Geistererscheinungen waren, mit denen wir es hier zu tun hatten, wollte ich das beweisen. Aber wenn Tuckman richtig lag und ein Dritter seine Finger im Spiel hatte, dann wollte ich erst recht erfahren, wie man diese Maschinen manipulieren konnte.
Ich legte den Teppich wieder an seinen Platz zurück und setzte mich auf den Boden.
Da ich die Tür geschlossen hatte, ging ich davon aus, nun problemlos in das Grau übertreten zu können, um mich dort noch einmal umzusehen. Nun bestand ja keine Gefahr mehr, dass mich jemand dabei beobachtete. Ich machte es mir also gemütlich, schloss die Augen und holte tief Luft. Dieser Teil
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