Poltergeist
verstimmt dreinblickte. »Am morgigen Nachmittag findet unsere nächste Sitzung statt. Ich werde veranlassen, dass Sie von der Kabine aus zusehen können.«
»Ich würde es aber bevorzugen, mit im Raum zu sein«, entgegnete ich.
»Nein, das ist unmöglich. Jede Art von Unterbrechung könnte das Ganze zu einem frühzeitigen Ende bringen. Das Experiment muss genaue Ergebnisse liefern, und deshalb brauche ich Sie. Alles wird auf Film aufgezeichnet und au ßerdem aufgeschrieben. Ich habe einige der früheren Sitzungen auf DVD und werde gleich mal meine Assistentin bitten, sie Ihnen zu kopieren, damit Sie sich das ansehen können. Aber in den Raum, in dem die Séance stattfindet, können Sie auf keinen Fall – es sei denn, es lässt sich absolut nicht vermeiden.«
Es war zwar frustrierend, aber es blieb mir wohl für den
Moment nichts anderes übrig, als nachzugeben. »Also gut – dann also in der Kabine. Sie haben gesagt, dass Ihre Gruppe tatsächlich eine gewisse psychokinetische Energie zum Schwingen bringt. Das stimmt doch – oder?«
»Ja, das stimmt. Es ist der Gruppe zum Beispiel gelungen, den Tisch wackeln zu lassen, und es gab auch andere Bewegungen und Lichterscheinungen.« Er lächelte selbstzufrieden. »Man muss wirklich zugeben, dass diese Leute erstaunliche Fähigkeiten entwickelt haben, vor allem wenn man bedenkt, wie kurz sie erst zusammenarbeiten.«
»Dann ist es aber doch theoretisch auch möglich, dass Ihre Gruppe all diese Erscheinungen hervorgerufen hat und niemand sonst.«
»Nein, das ist nicht möglich.«
So konnte nur jemand sprechen, dessen Geist verschlossen war. Wie hatte ich jemals so dumm sein können, an die Wissenschaft zu glauben? »Wieso sind Sie sich da so sicher?«
»Die Geschehnisse waren viel zu eindrucksvoll, als dass sie allein durch den menschlichen Verstand hervorgerufen sein konnten. Der kann keine solche physische Kraft produzieren, ohne irgendeinen physischen Kontakt hergestellt zu haben. Sie werden verstehen, was ich meine, wenn Sie den Sitzungen beiwohnen.«
Ich hatte das Gefühl, schon jetzt wesentlich mehr zu verstehen als Tuckman. Aber das behielt ich natürlich für mich. »Wie viele Teilnehmer gibt es eigentlich?«, wollte ich wissen.
»Insgesamt acht. Sieben Teilnehmer an der Studie und einen Assistenten. Mark Lupoldi zähle ich als Teilnehmer, obwohl er mein … Nun ja, obwohl er mein spezieller Mitarbeiter ist.«
»Ist er derjenige, der die Erscheinungen künstlich hervorruft?«
»Genau.«
»Dann machen Sie bitte auf der Liste ein Ausrufezeichen hinter seinen Namen. Könnten wir uns vielleicht gleich den Raum ansehen, wo das Experiment stattfindet?«
»Ich habe jetzt keine Zeit. In einer Viertelstunde muss ich eine Vorlesung halten.«
»Ich kann ihn mir auch gerne alleine ansehen, wenn Sie mir den Schlüssel geben und erklären, wo er liegt. Es sei denn, es gibt etwas in diesem Zimmer, das ich nicht sehen soll …«
»Wenn Sie gleich mit Ihren Nachforschungen beginnen wollen, habe ich nichts dagegen.« Er nahm einen Schlüsselbund von seinem geradezu zwanghaft ordentlichen Schreibtisch und machte zwei große Messingschlüssel ab, die er mir reichte. »Hier bitte. Es handelt sich um Zimmer zwölf im St.-John-Gebäude. Das Haus ist offen, aber nur mit diesen Schlüsseln kommen Sie auch in den Séance-Raum und in die Beobachtungskabine. Sie müssen sich an der Rezeption anmelden und abmelden. Am besten hinterlegen Sie die Schlüssel dann auch gleich dort, wenn Sie gehen.«
Er schloss den Aktenschrank hinter seinem Schreibtisch auf und holte einen braunen Umschlag heraus. Darauf klebte ein Schildchen mit dem Namen CELIA.
»Wer ist Celia?«, fragte ich.
»Wir haben unseren Poltergeist Celia Falwell getauft. Es war nicht einfach, einen Namen zu finden, zu dem es keine oder nur sehr wenige Informationen im Internet gibt.«
»Warum war das so wichtig?«
Tuckman zuckte ungeduldig mit den Schultern. »Weil ich nicht wollte, dass die Mitglieder den Namen googeln und
dann irgendwelche Dinge, die sie im Netz erfahren haben, unbewusst in die Séance einbringen. Die Persönlichkeit des Geistes muss ganz ihren eigenen Vorstellungen entspringen.«
Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Jetzt habe ich aber wirklich keine Zeit mehr.« Er nahm eine DVD und einige Papiere aus dem Umschlag und stand auf. »Ich muss zu meiner Vorlesung«, fügte er hinzu und ergriff eine teuer aussehende Aktentasche aus weichem Leder, die neben seinem Stuhl auf dem Boden
Weitere Kostenlose Bücher