Poltergeist
Schattenreich zwischen der normalen und der übernatürlichen Welt lag.
Das Grau war die Welt der Geister, der Vampire und des dunklen Zaubers, und ich gehörte zu den wenigen, die dort hinein- und wieder hinausgehen können. Es gab Menschen wie Mara – also Hexen und so -, die das Grau in gewisser Weise berühren und aus ihm Kraft oder auch Informationen gewinnen konnten. Aber soweit ich wusste, lebten sonst nur Geister und diverse andere Ungeheuer im Grau.
Was mich betraf, so befand ich mich die meiste Zeit über halb drinnen und halb draußen. Ich konnte nicht zaubern oder Geister exorzieren oder etwas ähnlich Cooles. Ich war ganz einfach eine Grauwandlerin – ein Mensch, der das Grau betreten und sich dort wie in der normalen Welt bewegen konnte. Zu diesem Wandeln zwischen den Welten war ich allerdings erst in der Lage, seitdem ich für einige Minuten meinen letzten Atemzug getan zu haben schien.
Bisher konnte mir noch kein Mensch plausibel erklären, warum mir und niemand anderem das passieren musste – einem anderen, der ebenfalls durch die Wunder der modernen Medizin dem Tod entronnen war. Aber ich schien die einzige Grauwandlerin im Pazifischen Nordwesten zu sein. Offensichtlich gab es keine Heilung oder irgendeine andere Möglichkeit für mich, nicht immer wieder ins Grau zu müssen. Zum Glück brachten mir Mara und Ben bei, wie ich das Ganze beherrschen konnte, um nicht ständig die Kontrolle zu verlieren. Leider ließ sich das jedoch nicht immer vermeiden.
Meine Arbeit und das Grau schienen sich öfter als mir lieb war zu überschneiden, und das stellte keine angenehme Erfahrung dar. Als Privatdetektivin war ich normalerweise mit ziemlich langweiligen Fällen beauftragt worden, aber nachdem mich Geister und Vampire erst einmal ausfindig
gemacht hatten, konnte von Langeweile bald keine Rede mehr sein.
Im Oktober – Monate nach jener ruhigen Stunde auf der Couch – wünschte ich mir nichts mehr, als dass das Treffen, zu dem ich gerade fuhr, völlig durchschnittlich und am besten sogar langweilig verlaufen würde. Aber da ich von Ben empfohlen worden war, der sich selbst als »Geister-Typ« bezeichnete, hegte ich nicht viel Hoffnung.
Nur wenige Minuten nach meinem Eintreffen war auch der letzte Rest verpufft.
Die Autorin
Kat Richardson wurde in Kalifornien geboren und wuchs in der Nähe von L.A. auf. Sie studierte in Long Beach und arbeitete unter anderem als Technische Redakteurin in Seattle. Sie fing schon in ihrer Schulzeit an, Kurzgeschichten zu schreiben, und entwickelte schnell eine Vorliebe für Science Fiction, Fantasy und Mystery. Aus ihrer Feder stammen neben phantastischer Prosa auch Rollenspiele, Computerspiele und ein Online-Comic. Heute lebt sie mit ihrem Mann, zwei Frettchen und einer Katze auf einem Segelboot in Seattle.
Mehr über die Autorin und die Welt von Harper Blaine unter: www.katrichardson.com
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Kat Richardson:
Underground
EINS
I ch saß dreiundzwanzig Minuten lang in einem langen, en gen Büro und hörte mir an, was mir Professor Gartner Tuckman mitzuteilen hatte.
Er behauptete, gemeinsam mit einem bunt gemischten Haufen von Leuten einen Geist erschaffen zu haben. Nicht etwa für einen zweitklassigen Horrorfilm im Knall-Buff-Sinn, sondern vielmehr für die reale Welt in einem Uuaahh-Sinn. Ehrlich gesagt, fand ich Tuckman selbst wesentlich gruseliger als den Geist, von dem er sprach. Er war seltsam dürr und legte eine arrogante Art an den Tag, die mir überhaupt nicht gefiel. Er hatte eine durchdringende Stimme und einen bohrenden Blick, der mich an einen Bösewicht in einem Stummfilm denken ließ. Außerdem erzählte er mir eindeutig Lügen oder ließ vielmehr das Wesentliche bewusst aus.
Nach einer Weile hob ich die Hand, um seinem Wortschwall endlich Einhalt zu gebieten. »Wenn Sie mich kurz zusammenfassen lassen würden, damit ich sicher bin, Sie auch richtig verstanden zu haben, Professor Tuckman. Sie haben also eine Gruppe von Leuten zusammengebracht, die einen Geist zum Leben erweckten, der sie seitdem heimsucht.«
»Nein! Von Heimsuchung kann keine Rede sein. Es ist
kein Geist. Es ist ein künstliches Wesen, das allein durch den Glauben und die Erwartung dieser Leute zum Leben erweckt wurde. Die Parapsychologen würden so etwas eine autonome Manifestation nennen – also eine sichtbare Manifestation der Gedanken dieser Gruppe.«
»Ich dachte, Sie seien selbst Parapsychologe.«
Er lachte verächtlich. »Oh nein, ganz und gar
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