Pommes rot-weiß
gekommen und…«
»Gerade im Moment noch haben Sie mir erklärt, dass der Mann Schrader heißt«, unterbrach mich Mattau triumphierend. Aber kriminalistische Fangfragen à la Bisher-hatte-ich-davon-aber-noch-gar-nichts-erwähnt waren nicht seine Stärke.
»Genau. Weil er mir des Öfteren aufgelauert hat und mich auf seine Art davon überzeugen wollte, dass ich mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern soll.«
»Und weil er gerade hier war, ist er auf die Toilette gegangen.«
»Er hat nicht auf dem Klo gesessen. Er hat da auf mich gewartet.«
Ich reichte ihm den Zettel.
»Dafür haben wir deinen Partner ausgeknipst«, las Mattau skeptisch. »Woher stammt das? Aus einem Schüleraufsatz über den Ganovenjargon der fünfziger Jahre?«
»Die Mörder dachten, sie würden mich erledigen.«
»Die Mörder? Klingt, als wüssten Sie, von wem Sie sprechen.«
»Ich kenne sie zufällig.«
»Gute Arbeit, Kittel. Name, Adresse, Telefonnummer?«
»Ich weiß nicht, wer sie sind. Alles, was ich weiß, ist, dass sie hinter meinem Partner her sind wegen eines Falles, in dem er ermittelt. Nicht gerade umgängliche Zeitgenossen.«
»Immerhin haben sie den Typen umgelegt, der Ihnen an den Kragen wollte.«
»Übrigens ist der Mann die rechte Hand von Guido Martens.«
»Was Sie nicht sagen.«
»Er hat Mölling auf dem Gewissen.«
»So? Das glauben Sie doch selbst nicht, Kittel.«
Es klingelte. Mattau ging zur Tür und ließ die Kollegen von der Spurensicherung hereinstürmen. »Sie haben doch keine Ahnung.«
»Wovon?«, fragte ich.
»Ich glaube, hier können wir im Moment nicht viel tun.«
»Ich finde schon«, wandte ich ein. »Immerhin könnten wir die Sache aufklären.«
»Außerdem muss ich aufs Klo und das ist ja wohl zurzeit noch besetzt.« Mattau kratzte sich am Kopf. »Sie wissen nicht zufällig, Kittel, wo man hier in der Gegend um diese Zeit noch kann?«
»Eigentlich wollte ich demnächst schließen«, sagte Jiorgos.
»Polizei«, sagte Mattau. »Nur ein paar Fragen.«
Der einzige Gast außer uns war eine ältere, füllige Frau mit einer dunklen Brille, die an der Wand beim Fischerhafen saß und erfolglos versuchte, eine Zigarette zu drehen.
»Henk?«, fragte ich.
Sie warf mir einen krummen Blick zu. »Verpiss dich!«
»Entschuldigung. Ich habe Sie mit meinem Partner verwechselt.«
Die Alte rülpste. »Schönes Kompliment.«
Mattau winkte mich mit seinem Bierglas an den Nebentisch.
»Es ist alles nicht mehr so wie früher«, sagte er und Anteilnahme und Mitleid mit sich selbst machten seine Stimme schwer. »Die Arbeit ist nicht mehr dieselbe. Die Täter auch nicht. Und schon gar nicht die Bullen.«
»Wie war es denn damals?«
»Die Täter handelten früher aus materieller Not. Man konnte ihnen nicht wirklich böse sein, denn sie waren Leute wie du und ich. Verstehen Sie, was ich meine?«
»Nein.«
»Arme Schlucker, die ihren Chef ermordeten, weil sie vom kargen Gehalt nicht leben und nicht sterben konnten. Familienväter, die zum Töten gezwungen waren, weil sie nur so ihre Lieben ernähren konnten. So in der Art. Heutzutage macht man einen fertig, um den Kick zu spüren.«
»Was ist mit den Bullen?«
Er grinste spöttisch. »Die gibt’s gar nicht mehr. Sind ausgerottet sozusagen. Heute wollen alle nur noch ›Cops‹ sein. Haben eine große Schnauze und pflegen ihren Dreitagebart. Coole Bürschchen, die so tun, als scherten sie sich einen Dreck um Bestimmungen, aber keine Teamsitzung auslassen.«
Der Kommissar nahm einen langen, traurigen Schluck, der weit über das hinausreichte, was in seinem Glas war. Deshalb hielt er es Jiorgos, der gerade vorbeikam, zum Nachfüllen hin.
»Wissen Sie was, Kittel? Es war nie so wie früher. Aber heute schon gar nicht.«
»Wie war das mit Ihnen und Martens?«
»Guido!« Mattau sah in seinem Glas nach und ganz unten auf dem Boden schien er zu finden, was er suchte. »Guido Martens. Der war ein richtiger Hardliner. ›Wir machen keine Gefangenen‹, hat er immer gesagt.«
»Keine Gefangenen?«, wunderte ich mich. »Haben Sie zusammen in der Resistance gekämpft?«
»Das nicht. Unser Schlachtfeld war die Hochschulpolitik. Guido war ein Zweihundertprozentiger. Bei den Podiumsdiskussionen haben die Leute gezittert, wenn er nach dem Mikrofon griff.«
Ich versuchte mir Mattau auf einer Podiumsdiskussion vorzustellen. Es gelang nur unvollständig. Der Kommissar saß in seinem abgewetzten Parka nasebohrend zwischen aufmüpfigen, langhaarigen Intellektuellen,
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