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Pommes rot-weiß

Pommes rot-weiß

Titel: Pommes rot-weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Güsken
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nicht schlecht.«
    »Nein, danke.« Tilo schluckte und sein Gesicht wurde fahl. »Bei mir ist ein Schnupfen im Anzug, glaube ich. Ich kann essen, was ich will, es schmeckt alles gleich.«
    »Tja, dann…«
    Er förderte sein übliches Kontingent Papiertaschentücher zutage. In der Mitte des Zellstoffgebirges platzierte er ein weißes, spitz zulaufendes Plastikfläschchen mit Nasenspray wie ein zierliches Kirchlein vor der beeindruckenden Winterkulisse Oberammergaus. »Außerdem«, fügte er hinzu, »habe ich eine Allergie gegen bestimmte Bratenfette.«
    »Was Sie nicht sagen.«
    Er fühlte sich gleich wieder angegriffen. »Halten Sie das etwa auch für frei erfunden, oder was?«
    »Das nicht unbedingt«, beruhigte ich ihn. »Aber Sie könnten anders damit klarkommen.«
    »Womit?«
    »Ihr Problem ist keine Frage der Taschentücher. Sie sollten sich trauen, Ihr eigenes Leben zu leben.«
    »Wie kommen Sie darauf, dass ich mich das nicht traue? Ich werde eines Tages die Firma übernehmen.«
    »Toll. Das wird Ihren Daddy ja so richtig beeindrucken. Was halten Sie vom Theaterspielen?«
    »Eine brotlose Kunst«, sprach sein Vater aus ihm. »Außerdem spiele ich, wie Sie wissen.«
    »Ich weiß. Sie sind der coole Detective, der sich von Sharon Stone rumkriegen lässt. Aber Sie sollten das nicht heimlich tun.«
    »Hören Sie auf, mir Ratschläge zu erteilen.«
    »Aber nur so können Sie Ihr Problem in den Griff bekommen. Die Toten in Ihrer Wohnung – das ist nichts als ein klares unbewusstes Signal Ihres Inneren, dass Sie Theater spielen wollen und nicht den hoch bezahlten Rausschmeißer für das gehobene Management.«
    Er lachte spöttisch. »Vielen Dank, Doktor Freud.«
    »Meiner Meinung nach haben Sie längst Ihre Entscheidung getroffen. Nur sollten Sie ausschließlich auf einer Bühne spielen und nicht in Ihrer Wohnung. Sie schaffen es, ein zahlendes Publikum zu begeistern, wozu also Ihren Vater beeindrucken? Oder die Polizei und einen Privatschnüffler?«
    Er sah mir dabei zu, wie ich die letzte Bratkartoffel mit der Gabel aufspießte und auf ihr wie auf einem Schlittschuh über den eigelbverschmierten Teller rutschte.
    »Mein Vater sagt, Sie sind ein Klatschmaul.«
    »Wenn er das sagt…« Ich zuckte mit den Schultern. »Aber da er nicht mein Vater ist, macht mich das auch nicht krank.«
    Tilo schnappte sich ein Taschentuch und zerstörte mit einem Griff die bayerische Berglandschaft.
    »Übrigens«, sagte ich in sein Schnäuzen hinein, »hatte ich ein nettes Gespräch mit Rudi.«
    »Rudi?« Er unterbrach seine rötliche, feuchte Nase bei der Arbeit und sah mich erwartungsvoll an. »Hat er dir irgendwas über mich erzählt? Ich meine, Ihnen.«
    »Schon okay. Er hält einiges von dir. Du solltest deinem Vater seine Verschlankungsfirma vor die Füße werfen und bei Rudi einsteigen.«
    »Was habe ich davon? Ein, zwei Jahre noch, länger wird sich Die Weinstube nicht halten.«
    »Da ist Rudi aber anderer Ansicht.«
    »Klar. Er hält Sex and Crime für die einzige Rettung des zeitgenössischen Theaters. Aber das hat selbst die Bahnhofskinos nicht gerettet.«
    »Hat er eigentlich zufällig was mit deiner Schwester?«
    »Mit Kim?« Tilo prustete. »Das hätte er wohl gerne. Sie hat doch ihren Heino.«
    »Vielleicht reicht ihr der ja nicht.«
    »Der reicht ihr nicht? Selbst der ist ihr zu viel. Wie sagt man so schön: In ihrem Leben ist kein Platz für Beziehungen. Obwohl das Wartezimmer überfüllt ist.«
    »Apropos Wartezimmer. Wieso bist du eigentlich so gerne krank?«
    »Hör auf.«
    »Nein, es interessiert mich wirklich.«
    Tilo starrte vor sich hin. »Ich lese gerade über einen Mann, der nur noch ein halbes Jahr zum Leben hat.«
    Das war wohl nicht gerade das, was ihm gut tat. Aber hätte ich ein Geschenk für ihn gesucht, ich hätte mich wahrscheinlich für etwas Ähnliches entschieden.
    »Hast du schon mal drüber nachgedacht, was du dann tun würdest?«
    »Kommt ganz drauf an«, meinte ich. »Ein halbes Jahr, das ist unter Umständen eine lange Zeit.«
    »Ich frage mich, wie viele Fälle es gibt, wo es dem Betreffenden gar nicht bekannt ist.«
    »Was?«
    »Dass es so ernst um ihn steht. Dass er das nicht weiß, kann viele Gründe haben. Beispielsweise ist der Arzt zu rücksichtsvoll und will ihm den Schock ersparen.«
    »Oder es kommt ihm was dazwischen und er denkt erst zwei Tage vorher daran, ihm das zu sagen.«
    »Das ist nicht lustig«, sagte Tilo vorwurfsvoll. »Schließlich gibt es auch Fälle, da irrt sich der

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