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Pompeji

Pompeji

Titel: Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Steine, die jetzt fallen – und noch dazu auf altes Holz – sind so schwer, dass die Balken früher oder später nachgeben werden. Wir müssen ins Freie.«
    Torquatus wog den Brocken in seiner Hand. »Ins Freie? In das hinein?«
    Einen Moment schwiegen alle. Dann begann Pomponianus zu jammern, dass das ihr Ende bedeutete, dass sie Jupiter ein Opfer hätten bringen sollen, wie er von Anfang an vorgeschlagen hatte, aber auf ihn hörte ja nie jemand.
    »Halt den Mund«, sagte seine Frau. »Schließlich haben wir Kissen und Bettlaken. Wir können uns vor den Steinen schützen.«
    Torquatus fragte: »Wo ist der Befehlshaber?«
    »Er schläft.«
    »Er hat sich mit dem Tod abgefunden, stimmt's? All dieses Geschwafel über Wein! Aber ich will noch nicht sterben. Du etwa?«
    »Nein.« Attilius war von der Festigkeit seiner Antwort überrascht. Nach Sabinas Tod war er erstarrt, und wenn ihm damals jemand gesagt hätte, das Ende seines Lebens stünde bevor, dann wäre ihm das völlig gleichgültig gewesen. Aber jetzt war das nicht mehr der Fall.
    »Dann lasst uns an den Strand zurückkehren.«
    Livia befahl den Sklaven, Kissen und Laken zu holen, und Attilius eilte hinaus auf den Hof. Er konnte Plinius noch immer schnarchen hören. Er hämmerte gegen die Tür und versuchte sie zu öffnen, aber in der kurzen Zeit seiner Abwesenheit hatte sich neues Geröll angesammelt. Attilius musste niederknien, um es beiseite zu räumen, dann riss er die Tür auf und lief mit seiner Fackel hinein. Er schüttelte die rundliche Schulter des Befehlshabers, und der alte Mann stöhnte und blinzelte in das Licht.
    »Lass mich in Ruhe.«
    Er versuchte, sich wieder auf die Seite zu drehen. Doch Attilius ließ sich auf keine Diskussion ein. Er schob den Ellbogen in Plinius' Achselhöhle und zog ihn hoch. Unter dem Gewicht taumelnd, schob er den protestierenden Befehlshaber zur Tür, und sie waren kaum über die Schwelle, als er hörte, wie einer der Deckenbalken hinter ihnen barst und ein Teil des Daches einstürzte.
     
    Sie legten die Kissen so auf den Kopf, dass sie ihre Ohren bedeckten, und befestigten sie mit Streifen, die sie von den Laken abgerissen hatten und nun fest unter dem Kinn verknoteten. Mit ihren aufgeblähten weißen Köpfen sahen sie aus wie blinde, unterirdisch lebende Insekten. Jeder ergriff eine Fackel oder eine Lampe, und dann machten sie sich mit jeweils einer Hand auf der Schulter des Vordermanns – abgesehen von Torquatus, der die Führung übernommen hatte und anstelle eines Kissens seinen Helm trug – auf den Spießrutenlauf zum Strand.
    Um sie herum wütete Lärm – das Tosen der See, der Gesteinshagel, das Poltern einstürzender Dächer. Gelegentlich spürte Attilius den dumpfen Aufprall eines Geschosses auf seinem Kopf, und seine Ohren dröhnten, wie sie es nicht mehr getan hatten, seit er als Kind von seinen Lehrern geschlagen worden war. Es war, als würde man von einer aufgebrachten Menge gesteinigt – als hätten die Götter Vulkan einen Triumph zugestanden und er hätte sich dafür entschieden, seine Gefangenen zu demütigen, indem er sie ihrer Menschenwürde beraubte und sie zu dieser schmerzhaften Prozession zwang. Langsam mühten sie sich voran, bis zu den Knien in dem lockeren Bimsstein versinkend, außerstande, sich schneller zu bewegen als Plinius, dessen Husten und Keuchen sich bei jedem Schritt, den er tat, zu verschlimmern schien. Er klammerte sich an Alexion und wurde von Attilius gestützt; ihnen folgten Livia und hinter ihr Pomponianus sowie die eine Fackelreihe bildenden Sklaven.
    Die Wucht des Steinhagels hatte die Straße von Flüchtlingen geräumt, aber unten am Strand flackerte ein Licht, und auf das führte Torquatus sie jetzt zu. Einige Einwohner von Stabiae und etliche der Männer von der Minerva hatten eines der nutzlosen Boote zerschlagen und in Brand gesteckt. Mit Tauen, dem schweren Segel der Liburne und einem Dutzend Rudern hatten sie neben dem Feuer ein großes Dach gebaut. Leute, die an der Küste entlanggeflüchtet waren, hatten die Straße verlassen und bettelten um Schutz, und mehrere hundert von ihnen drängten sich unter dem Dach zusammen. Sie wollten die abstoßend aussehenden Neuankömmlinge nicht in ihr provisorisches Zelt hineinlassen, und an seinem Eingang gab es Spottrufe und einiges Gerangel, bis Torquatus rief, er hätte den Befehlshaber Plinius bei sich und würde jeden Seesoldaten kreuzigen lassen, der sich weigerte, seinen Befehlen Folge zu leisten.
    Widerstrebend

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