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Pompeji

Pompeji

Titel: Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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fragte: »Wie weit ist es von hier nach Pompeji?«
    »Drei Meilen«, antwortete Torquatus. »Vielleicht etwas weniger. Es sieht so aus, als bekämen die armen Leute dort das Schlimmste ab. Dieser Wind – die Männer sollten zusehen, dass sie irgendwo Schutz finden.«
    Er watete auf die Küste zu und ließ Attilius allein.
    Wenn Stabiae drei Meilen von Pompeji entfernt lag und der Vesuv fünf Meilen entfernt an der anderen Seite der Stadt aufragte, dann musste diese gigantische Wolke acht Meilen lang sein. Acht Meilen lang und – angesichts der Tatsache, wie weit sie auf die See hinausragte – mindestens fünf Meilen breit. Wenn Corelia nicht schon sehr früh geflüchtet war, hatte sie keine Chance gehabt, ihr zu entkommen.
    Er stand eine Weile so da, von den Wellen gepeitscht, bis er schließlich hörte, wie Plinius nach ihm rief. Hilflos drehte er sich um und suchte seinen Weg durch das aufgewühlte Wasser, den Strand hinauf zu den anderen.
     
    Pomponianus besaß eine Villa am Ufer, nur einen kurzen Spaziergang von der Straße entfernt, und Plinius schlug vor, dass sie sich alle dorthin begeben sollten. Als Attilius näher kam, konnte er sie diskutieren hören. Pomponianus, noch immer in Panik, wandte mit seiner hohen Stimme ein, wenn sie den Strand verließen, würden sie ihre Chance auf einen Platz in einem Boot verlieren. Aber Plinius tat das mit einer Handbewegung ab. »Es hat keinen Sinn, hier zu warten«, sagte er eindringlich. »Außerdem könnt ihr mit uns fahren, wenn der Wind und die See es zulassen. Komm, Livia, nimm meinen Arm.« Und mit Pomponianus' Frau auf der einen Seite, Alexion auf der anderen und gefolgt von den Sklaven des Haushalts, die Marmorbüsten, Teppiche, Truhen und Kandelaber schleppten, führte er sie auf die Straße hinauf. Plinius beeilte sich, so sehr er konnte; seine Wangen waren aufgebläht, und Attilius dachte, er weiß es – er weiß aus seinen Beobachtungen, was uns bevorsteht. Und in der Tat hatten sie kaum die Tore der Villa erreicht, als es auch schon wie ein Sommergewitter über sie hereinbrach – zuerst ein paar schwere Tropfen, dann explodierte die Luft über den Myrtensträuchern und dem gepflasterten Hof. Attilius spürte, wie sich ein Körper von hinten an ihn presste, er stieß gegen den Mann vor ihm, und gemeinsam stolperten sie durch die Tür und in die dunkle, verlassene Villa hinein. Leute jammerten und stießen blind gegen Möbelstücke. Er hörte den Schrei einer Frau und ein lautes Poltern. Das körperlose Gesicht eines Sklaven tauchte auf, von einer Öllampe von unten beleuchtet, und dann verschwand das Gesicht, und er hörte das vertraute Geräusch, das eine Fackel beim Anzünden macht. Sie drängten sich im Trost des Lichts zusammen, Herren und Sklaven, während der Bimsstein auf das Terrakottadach der Villa prasselte und den Ziergarten draußen verwüstete. Jemand verschwand mit der Öllampe, um weitere Fackeln und ein paar Kerzen zu holen, und die Sklaven zündeten mehr und mehr daran an, auch als sie bereits genügend Licht hatten, als bedeutete mehr Helligkeit auch mehr Sicherheit. Der volle Empfangsraum machte einen fast festlichen Eindruck, und nun erklärte Plinius, der einen Arm um die Schultern des zitternden Pomponianus gelegt hatte, dass er jetzt gern essen würde.
     
    Der Befehlshaber glaubte nicht an ein Leben nach dem Tod: »Weder Körper noch Geist haben nach dem Tod mehr Empfindungen, als sie vor der Geburt hatten.« Dennoch bot er während der folgenden paar Stunden ein Bild der Tapferkeit, die niemand, der den Abend überlebte, je vergessen würde. Plinius hatte schon vor langer Zeit entschieden, wenn der Tod zu ihm käme, würde er versuchen, ihm im Geiste von Marcus Sergius entgegenzutreten, den er in der Historia naturalis als den tapfersten Mann gepriesen hatte, den es je gab – im Verlauf seiner Feldzüge dreiundzwanzigmal verwundet, zum Krüppel geworden, zweimal von Hannibal gefangen genommen und zwanzig Monate lang in Ketten gelegt. Sergius war mit einer Hand aus Eisen, als Ersatz für die, die er verloren hatte, in seine letzte Schlacht geritten. Er war nicht so erfolgreich gewesen wie Scipio oder Caesar, aber welche Rolle spielte das? »Alle anderen Feldherren haben über Menschen gesiegt«, hatte Plinius geschrieben, »aber Sergius hat auch über das Schicksal gesiegt.«
    Über das Schicksal siegen – das war es, wonach ein Mann streben sollte. Und dementsprechend teilte er dem verblüfften Pomponianus mit, während die

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