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Pompeji

Pompeji

Titel: Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Corelias Schritten verklungen war. »Das sind nur die Nerven vor der Hochzeit. Ich werde froh sein, Popidius, wenn du für sie sorgen musst und nicht ich.« Er sah, dass seine Frau ihr folgen wollte. »Nein, Frau! Du bleibst hier!« Celsia legte sich demütig wieder hin und lächelte die anderen Gäste entschuldigend an. Ampliatus runzelte die Stirn. Er wünschte, sie würde das nicht tun. Weshalb sollte sie sich diesen so genannten feinen Leuten unterwerfen? Er konnte sie alle kaufen und wieder verkaufen!
    Er drückte sein Messer in die Seite der Muräne, drehte es und wies dann mit einer gereizten Geste den Sklaven, der ihm am nächsten stand, an, das Tranchieren zu übernehmen. Der Fisch starrte ihn mit leeren roten Augen an. Der Liebling des Kaisers, dachte er, ein Fürst in seinem eigenen kleinen Teich. Jetzt nicht mehr.
    Ampliatus tunkte sein Brot in eine Schüssel mit Essig und saugte daran, während er zuschaute, wie die geschickten Hände des Sklaven Brocken von knochiggrauem Fleisch auf die Teller häuften. Niemand wollte es essen, trotzdem wollte niemand der Erste sein, der sich weigerte. Eine Atmosphäre lähmender Furcht breitete sich aus, so bedrückend wie die Luft über dem Tisch, heiß und schal vom Geruch der Speisen. Ampliatus tat nichts, um das Schweigen zu beenden. Weshalb sollte er sie erlösen? Als er ein Sklave bei Tisch gewesen war, war es ihm verboten gewesen, in Gegenwart von Gästen zu sprechen.
    Er wurde zuerst bedient, aber er wartete, bis vor jedem einer der goldenen Teller stand; erst dann streckte er die Hand aus und brach ein Stückchen Fisch ab. Er hob es an die Lippen, hielt inne und schaute um den Tisch herum, bis, mit Popidius beginnend, einer nach dem anderen widerstrebend seinem Beispiel gefolgt war.
    Auf diesen Moment hatte er sich den ganzen Tag gefreut. Vedius Pollio hatte seine Sklaven nicht nur deshalb den Muränen vorgeworfen, um zu erleben, wie ein Mann unter Wasser zerrissen wurde anstatt von den wilden Tieren in der Arena, sondern auch, weil er, ein Gourmet, behauptete, Menschenfleisch verleihe den Fischen einen pikanteren Geschmack. Ampliatus kaute sorgfältig, schmeckte aber nichts. Das Fleisch war fade und lederig – und er verspürte die gleiche Enttäuschung, die er auch am vorangegangenen Nachmittag an der Küste gefühlt hatte. Wieder hatte er die Hände nach einer grandiosen Erfahrung ausgestreckt, und wieder hatte er ins Leere gegriffen.
    Er holte mit den Fingern den Fisch aus dem Mund und warf ihn angewidert auf seinen Teller zurück. Er versuchte, es mit einem Scherz abzutun – »Offenbar schmecken Muränen wie Frauen am besten, wenn sie jung sind!« – und griff nach seinem Wein, um den Geschmack fortzuspülen. Aber die Tatsache, dass aus diesem Nachmittag das Vergnügen verschwunden war, ließ sich nicht verheimlichen. Seine Gäste husteten höflich in ihre Servietten oder stocherten die winzigen Gräten aus ihren Zähnen heraus, und er wusste, dass sie noch tagelang über ihn lachen würden, sobald sie sich davonmachen konnten, vor allem Holconius und dieser fette Päderast Brittius.
    »Mein lieber Freund, hast du schon das Neueste über Ampliatus gehört? Er glaubt, dass Fisch wie Wein mit dem Alter besser wird!«
    Er trank noch mehr Wein, ließ ihn in seinem Mund kreisen und dachte gerade daran, einen Trinkspruch auszubringen – Auf den Kaiser! Auf das Heer! –, als er sah, dass sich sein Hausverwalter mit einem kleinen Kasten dem Speisezimmer näherte. Scutarius zögerte. Offensichtlich wollte er seinen Herrn bei einem Festmahl nicht mit geschäftlichen Dingen stören, und Ampliatus hätte ihm in der Tat gesagt, er solle sich zum Teufel scheren, aber etwas in der Miene des Mannes …
    Er knüllte seine Serviette zusammen, stand auf, nickte seinen Gästen kurz zu und bedeutete Scutarius, ihm ins Tablinum zu folgen. Sobald sie außer Sicht waren, spreizte er die Finger.
    »Was ist das? Gib her.«
    Es war eine Capsa, ein billiger, mit ungegerbter Haut überzogener Kasten, ähnlich denen, die Schuljungen zum Tragen ihrer Bücher benutzten. Das Schloss war aufgebrochen. Ampliatus klappte den Deckel auf. Drinnen lag ein halbes Dutzend kleine Papyrusrollen. Er zog auf gut Glück eine heraus. Sie war mit Zahlenkolonnen bedeckt, und einen Augenblick starrte Ampliatus verständnislos darauf, aber dann nahmen die Zahlen Gestalt an – er hatte immer einen Kopf für Zahlen gehabt –, und er verstand. »Wo ist der Mann, der das gebracht hat?«
    »Er wartet in

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