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Pompeji

Pompeji

Titel: Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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wiederholte es, wobei er mit der Serviette seinen Mund gegen Ampliatus abschirmte und jede Silbe betonte. »Trimalchio.«
    Popidius hätte beinahe laut aufgelacht. Trimalchio! Sehr gut! Der freigelassene, unermesslich reich gewordene Sklave in der Satire des Titus Petronius, der seinen Gästen ein solches Mahl vorsetzt und nicht begreift, wie vulgär und lächerlich er dabei wirkt. Haha! Trimalchio! Eine Augenblick glitt Popidius zurück in seine Zeit als junger Aristokrat am Hofe Neros, wo Petronius, dieser Schiedsrichter des guten Geschmacks, die Gäste stundenlang mit seiner gnadenlosen Verspottung der Neureichen unterhielt.
    Plötzlich überkam ihn Rührung. Armer alter Petronius. Er war komischer und eleganter gewesen, als es gut für ihn war. Am Ende hatte ihn Nero, argwöhnend, dass auch seine Kaiserliche Majestät eine heimliche Zielscheibe seines Spottes war, ein letztes Mal durch sein Smaragdglas hindurch gemustert und ihm befohlen, Selbstmord zu begehen. Aber Petronius war es gelungen, sogar daraus einen Witz zu machen – er hatte sich zu Beginn eines Gastmahls in seinem Haus in Cumae die Pulsadern aufgeschnitten und sie dann wieder verbunden, um mit seinen Gästen zu speisen und zu plaudern, sie dann wieder geöffnet und erneut verbunden und so weiter, wobei er allmählich dahinsiechte. Seine letzte bewusste Handlung hatte darin bestanden, dass er eine Weinkelle aus Flussspat zerbrach, die dreihunderttausend Sesterzen wert war und die der Kaiser zu erben gehofft hatte. Das war Stil. Das war Geschmack.
    Und was hätte er von mir gehalten?, fragte sich Popidius bitter. Dass es mit mir – einem Popidius, der einst mit dem Herrn der Welt sang und spielte – so weit gekommen ist, dass ich jetzt mit fünfundvierzig Jahren der Gefangene eines Trimalchio bin!
    Er warf einen Blick auf seinen ehemaligen Sklaven, der am Kopf der Tafel präsidierte. Er wusste immer noch nicht so recht, wie es passiert war. Da war natürlich das Erdbeben gewesen. Und dann, ein paar Jahre später, der Tod Neros. Danach Bürgerkrieg, ein Maultierhändler als Kaiser, und Popidius' Welt wurde auf den Kopf gestellt. Plötzlich war Ampliatus überall – er baute die Stadt wieder auf, stiftete einen Tempel, manövrierte seinen kleinen Sohn in den Stadtrat, kontrollierte die Wahlen und kaufte sogar das Haus neben dem seinen. Popidius hatte nie einen Sinn für Zahlen gehabt, und als Ampliatus ihm erklärte, auch er könnte einiges Geld verdienen, hatte er Verträge unterschrieben, ohne sie vorher zu lesen. Irgendwie war das Geld dann verloren gegangen, es stellte sich heraus, dass der Familiensitz als Sicherheit diente, und der einzige Ausweg, der Demütigung der Ausweisung zu entgehen, würde darin bestehen, dass er Ampliatus' Tochter heiratete. Man stelle sich das vor: ein ehemaliger Sklave als sein Schwiegervater! Popidius war sicher, dass die Schande seine Mutter umbringen würde. Sie hatte seither kaum noch ein Wort gesprochen, und ihr Gesicht war von Sorgen und Schlaflosigkeit verhärmt.
    Nicht, dass er etwas dagegen hätte, ein Bett mit Corelia zu teilen. Er betrachtete sie hungrig. Sie lag mit dem Rücken zu Cuspius und flüsterte mit ihrem Bruder. Er hätte nichts dagegen, auch den Jungen im Bett zu haben. Er spürte, wie sich sein Penis zu versteifen begann. Ob er einen Dreier vorschlagen sollte? Nein – das würde sie nie mitmachen. Sie war eiskalt. Aber er würde sie bald aufwärmen. Wieder traf sich sein Blick mit dem von Brittius. Was für ein witziger Bursche. Er zwinkerte, rollte mit den Augen und flüsterte, Ampliatus anschauend, noch einmal: »Trimalchio.«
    »Was sagtest du eben, Popidius?«
    Ampliatus' Stimme fuhr über den Tisch wie ein Peitschenknall. Popidius zuckte zusammen.
    »Er hat gesagt: ›Was für ein Mahl!‹« Brittius hob sein Glas. »Das finden wir alle, Ampliatus. Was für ein grandioses Mahl.« Ein beifälliges Murmeln machte die Runde um den Tisch.
    »Und das Beste kommt erst noch«, sagte Ampliatus. Er schnippte mit den Fingern, und einer der Sklaven eilte aus dem Speisezimmer in Richtung Küche.
    Popidius zwang sich zu einem Lächeln. »Was mich betrifft, so habe ich gerade noch Raum für den Nachtisch, Ampliatus.« In Wirklichkeit war ihm, als müsste er sich übergeben, und um das zu tun, wäre er nicht auf den üblichen Becher mit warmer Salzlake und Senf angewiesen. »Was ist es? Pflaumen vom Berg Damascus? Oder hat dein Koch eine Pastete aus attischem Honig gemacht?« Ampliatus' Koch war der

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