Pompeji
mir.«
Er bohrte die Hacken in die Flanken des Pferdes, und es fiel auf dem Pfad, der zwischen den Grabmälern hindurchführte, in einen langsamen Trab. Zur Feier des Vulkan-Festes waren auf einigen Gräbern Blumen und kleine Speiseopfer abgelegt worden. Im Schatten der Zypressen hielten ein paar Leute ein Picknick ab. Kleine schwarze Echsen huschten über die Steingewölbe; sie erweckten den Anschein sich verbreiternder Risse. Er schaute nicht zurück. Die Männer würden ihm folgen, da war er sich sicher. Er hatte sie dazu angestachelt, und außerdem hatten sie Angst vor Ampliatus.
Am Rande des Friedhofs zog er die Zügel an und wartete, bis er das Poltern der Karren hörte, die über die Steine rumpelten. Es waren grob gezimmerte Bauernkarren – die Achsen drehten sich mit den Rädern, die nicht mehr waren als ungefähr einen Fuß dicke Baumscheiben. Ihr Rumpeln war noch in einer Meile Entfernung zu hören. Zuerst passierten ihn die Ochsen mit gesenkten Köpfen; jedes Gespann wurde von einem Mann mit einem Stock geführt. Dann folgten die schwerfälligen Karren und schließlich der Rest des Arbeitstrupps. Er zählte die Männer. Sie waren alle da, einschließlich Brebix. Die Markierungssteine des Aquädukts am Straßenrand, alle hundert Schritte einer, verschwammen in der Ferne. Genau in der Mitte zwischen ihnen befanden sich die runden Steinabdeckungen der Öffnungen, durch die man in den Tunnel einsteigen und ihn inspizieren konnte. Die Regelmäßigkeit und Präzision flößten dem Wasserbaumeister ein flüchtiges Gefühl der Zuversicht ein. Zumindest wusste er, wie das funktionierte.
Er trieb sein Pferd an.
Eine Stunde später, als sich die Nachmittagssonne langsam dem Golf entgegensenkte, hatten sie die Ebene zur Hälfte hinter sich gebracht. Sie waren von schmalen, von der Sonne versengten Feldern und knochentrockenen Gräben umgeben, die ockerfarbenen Mauern und Wachtürme von Pompeji lösten sich im Staub hinter ihren Rücken auf. Unerbittlich lenkte die Linie des Aquädukts sie voran, der blaugrauen Pyramide des Vesuv entgegen, der immer massiger vor ihnen aufragte.
Hora duodecima
[18.47 Uhr]
»Während komprimiertes Gestein extrem stark ist, ist es unter Spannung sehr schwach (mit Stärken von etwa 1,5 x 10 7 Bar). Deshalb kann die Stärke des Gesteins, das eine abkühlende und Blasen bildende Magmamasse abdeckt, schon lange vor der Verfestigung des Magmas übertroffen werden. Sobald das geschieht, kommt es zu einer explosionsartigen Eruption.«
Volcanoes: A Planetary Perspective
Plinius hatte den ganzen Tag über die Häufigkeit der Beben registriert – genauer gesagt, sein Sekretär Alexion hatte es für ihn getan. Der Gelehrte saß am Tisch in der Bibliothek des Befehlshabers, auf der einen Seite die Wasseruhr, auf der anderen den Weinpokal.
Die Tatsache, dass Feiertag war, spielte für Plinius keine Rolle. Er arbeitete ohne Rücksicht auf den jeweiligen Tag. Nur einmal hatte er seine Lektüre und seine Diktate unterbrochen, als er sich am Vormittag von seinen Gästen verabschiedet und darauf bestanden hatte, sie zum Hafen hinunterzubegleiten und sie abfahren zu sehen. Lucius Pomponianus und Livia wollten nach Stabiae am anderen Ufer des Golfs, und es war vereinbart worden, dass sie Rectina mitnahmen und bei der Villa Calpurnia in Herculaneum absetzten. Pedius Cascus würde, ohne seine Frau, an Bord einer voll bemannten Liburne zu einer Ratssitzung mit dem Kaiser nach Rom aufbrechen. Alte, liebe Freunde! Plinius hatte sie herzlich umarmt. Gewiss, Pomponianus konnte den Narren spielen, aber sein Vater, der große Pomponius Secundus, war Plinius' Förderer gewesen, und er empfand der Familie gegenüber eine Ehrenschuld. Und was Pedius und Rectina anging – ihre Großzügigkeit ihm gegenüber war grenzenlos gewesen. Außerhalb von Rom lebend, wäre es ohne den Zugang zu ihrer Bibliothek fast unmöglich gewesen, die Historia naturalis zu vollenden.
Kurz bevor Pedius an Bord ging, hatte er seinen Arm ergriffen. »Ich wollte es vor den anderen nicht erwähnen, Plinius, aber bist du sicher, dass mit dir alles in Ordnung ist?«
»Ich bin zu dick«, schnaufte Plinius, »das ist alles.«
»Was sagen deine Ärzte?«
»Ärzte? Ich lasse keinen dieser griechischen Scharlatane in meine Nähe. Nur Ärzte können einen Mann ungestraft ermorden.«
»Aber sieh dich an, Mann – dein Herz …«
»›Bei Erkrankungen des Herzens besteht die einzige Hoffnung auf Besserung eindeutig in
Weitere Kostenlose Bücher