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Pompeji

Pompeji

Titel: Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Wein.‹ Du solltest mein Buch lesen. Und das, mein lieber Pedius, ist eine Medizin, die ich mir selbst verabreichen kann.«
    Der Senator musterte ihn und sagte grimmig: »Der Kaiser macht sich Sorgen um dich.«
    Das versetzte Plinius einen Stich. Er gehörte selbst dem kaiserlichen Rat an. Warum war er nicht zu dieser Sitzung eingeladen worden, zu der Pedius jetzt eilte? »Was willst du damit andeuten? Dass er glaubt, ich wäre zu nichts mehr nütze?«
    Pedius sagte nichts – ein Nichts, das alles sagte. Er breitete plötzlich die Arme aus, und Plinius beugte sich vor, drückte ihn an sich und klopfte dem Senator mit seiner fleischigen Hand auf den Rücken. »Gib auf dich Acht, alter Freund.«
    »Du auch.«
    Als sich Plinius aus der Umarmung löste, stellte er zu seiner Beschämung fest, dass seine Wangen feucht waren. Er blieb auf dem Kai, schaute den Schiffen nach, bis er sie nicht mehr sehen konnte. Das schien alles zu sein, was er in letzter Zeit tat: anderen Leuten nachschauen.
    Das Gespräch mit Pedius hatte ihn den ganzen Tag verfolgt, während er auf der Terrasse hin und her watschelte und von Zeit zu Zeit die Bibliothek betrat, um Alexions ordentliche Zahlenkolonnen zu inspizieren. »Der Kaiser macht sich Sorgen um dich.« Der Satz verschwand so wenig wie die Schmerzen in seiner Seite.
    Er flüchtete sich, wie immer, in seine Beobachtungen. Die Zahl der harmonischen Episoden, wie er sie nannte, war ständig gestiegen. Fünf in der ersten Stunde, sieben in der zweiten, acht in der dritten und so weiter. Noch auffälliger war ihre wachsende Dauer gewesen. Zu Beginn des Tages war sie zu kurz, um messbar zu sein, aber als der Nachmittag fortschritt, war Alexion imstande gewesen, sie mithilfe der Wasseruhr abzuschätzen – zuerst ein Zehntel einer Stunde, dann ein Fünftel, bis er schließlich in der ganzen elften Stunde nur ein einziges Beben registriert hatte. Der Wein bewegte sich ununterbrochen.
    »Wir müssen unseren Sprachgebrauch ändern«, murmelte Plinius, über seine Schulter gebeugt. »Es geht nicht mehr an, solche Bewegungen Episoden zu nennen.«
    Was im gleichen Verhältnis wie die Bewegungen der Erde zunahm, als wären Mensch und Natur durch ein unsichtbares Glied miteinander verbunden, waren Berichte über Unruhen in der Stadt: Schlägereien an den öffentlichen Brunnen, wo die erste Stunde der Wasserfreigabe geendet hatte, ohne dass es jedem gelungen war, seinen Krug zu füllen; ein Aufruhr vor den öffentlichen Bädern, als sie nicht wie üblich in der siebenten Stunde geöffnet wurden; eine Frau, die wegen zwei Amphoren Wasser – Wasser! – von einem Betrunkenen vor dem Augustus-Tempel erstochen worden war; und nun hieß es, dass bewaffnete Banden bei den Brunnen herumlungerten und auf eine Gelegenheit zum Kampf warteten.
    Plinius war es nie schwer gefallen, Befehle zu erteilen. Das war das Wesen eines Kommandos. Er gab Anweisung, dass das abendliche Opfer an Vulkan ausfallen und dass der Holzhaufen auf dem Forum sofort abgetragen werden sollte. Eine große Menschenmenge im Dunkeln war wie eine Aufforderung zu Unruhen. Und auf jeden Fall war es zu gefährlich, ein derart großes Feuer zu entzünden, inmitten einer Stadt, in der Rohre und Brunnen trocken waren und die Dürre die Häuser so leicht entflammbar gemacht hatten wie Zunder.
    »Den Priestern wird das nicht gefallen«, sagte Antius.
    Der Kommandant des Flaggschiffes hatte sich in der Bibliothek zu Plinius gesellt. Julia, Plinius' verwitwete Schwester, die ihm den Haushalt führte, war mit einem Tablett mit Austern und einem Krug Wein hereingekommen.
    »Sag den Priestern, dass uns nichts anderes übrig bleibt. Ich bin sicher, dass uns Vulkan in seiner Schmiede dieses eine Mal vergeben wird.« Plinius massierte irritiert seinen Arm. Er fühlte sich taub an. »Sorge dafür, dass alle Männer außer den Wachpatrouillen ab Anbruch der Dunkelheit in ihren Unterkünften bleiben. Ich verlange eine Ausgangssperre für ganz Misenum von Vespera bis Tagesanbruch. Jeder, der auf der Straße angetroffen wird, ist zu verhaften und mit einer Geldbuße zu bestrafen. Verstanden?«
    »Ja, Befehlshaber.«
    »Haben wir die Schleusen im Reservoir bereits geöffnet?«
    »Das dürfte gerade in diesem Moment geschehen, Befehlshaber.«
    Plinius dachte nach. Einen weiteren derartigen Tag konnte er nicht riskieren. Alles hing davon ab, wie lange das Wasser vorhielt. Er fasste einen Entschluss. »Ich werde mich selbst überzeugen.«
    Julia kam besorgt mit dem

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