Ponyhof kleines Hufeisen - 10 - Der Spuk in der Mühle
Leute vom Haimerl-Hof machten sie sich mit den Fohlen als Handpferden auf den Weg.
Die Besitzer der Fohlen hatten die Scheune bereits ausgemistet und das Heu bezahlt. Auch Cornelia hatte ihren Beitrag geleistet.
Der Ritt zum Ponyhof Kleines Hufeisen verlief ohne weitere Zwischenfälle. Sabine fror wieder, aber sie trabten die meiste Zeit, so dass es nicht zu kalt wurde. Die Hubermühle lag ruhig da, sie wirkte düster unter dem grauen Himmel. Bargen die alten Mauern wirklich ein schauriges Geheimnis? Sabine warf nur einen schnellen Blick auf die Nebengebäude und das Mühlrad, dann waren sie in flottem Trab vorbei.
Der weiche Moorboden federte unter den Hufen der Pferde. Es lag nur eine dünne Schicht Schnee. Sabine war hier immer gerne geritten, noch nie hatte sie sich im Moor unsicher gefühlt. Nur einmal, als ein rücksichtsloser Motorradfahrer trotz Verbots über die Wege gerast und die Pferde fast zu Tode erschreckt hatte - aber das war nicht unheimlich gewesen und der Kerl kein Geist, sondern einfach ein krimineller Fahrer, der absichtlich Furcht und Schrecken verbreitete. Sabine hatte hier viele friedliche Ritte erlebt, mit der Gruppe oder mit Katrin;
sie hatte Rehe gesehen und Wildenten, die flügelschlagend auf den Moorteichen landeten; sie hatte Schmetterlinge um die blauen Glockenblumen am Wegrand tanzen sehen und einmal hatten sie und Stefan einen großen grauen Kranich über den Wipfeln der Kiefern gesehen. Jetzt überkam sie plötzlich ein unheimliches Gefühl, das sie nicht zu vertreiben vermochte. Und Stefan, mit dem sie doch sonst immer alles besprach, konnte sie ihre Gedanken nicht anvertrauen, denn er würde sie auslachen. Vielleicht würde er einen Einbrecher in der unheimlichen, huschenden Gestalt vermuten. Gleich nachdem sie die Pferde versorgt hatten, wollte sie zur Hubermühle zurückradeln. Sie musste mit Julia reden.
Eine, böse Falle
Julia schlug die Tür ihres Zimmers zu und sah Sabine gespannt an. „Nun sag schon, was los ist!“ Ihre Augen blitzten neugierig. „Hier hört uns bestimmt keiner.“
Die Mädchen machten es sich auf großen Kissen auf dem Boden bequem und Sabine begann zu reden. Sie begann mit dem, was Franz ihr erzählt hatte, und endete mit der Geschichte der schönen jungen Müllerin. „Ist dir irgendwann mal was Unheimliches hier aufgefallen? Hast du nachts einen
Lichtschein im Stall gesehen oder eine junge Frau mit einem Licht? Klar, das ist eine Sage, aber trotzdem ... Habt ihr irgendwas gesehen?“
Julia sah sich schnell um. „Die ersten Monate, als wir hier waren, hab ich nichts gesehen“, sagte sie mit leiser Stimme. „Es hat nur oft so komisch geknarrt, als ob jemand nachts durch das Haus geht. Da hab ich mich natürlich gefürchtet und hab Mama Bescheid gesagt. Aber die meinte nur, dass es in den alten Balken eben immer mal knarrt. Du weißt ja, wir haben vorher in der Stadt in einem neuen Haus gewohnt, da gab es solche Geräusche nicht. Dann dachte ich, Mama hat Recht und hab mich an die Geräusche gewöhnt. Aber vor ein paar Tagen“, fuhr sie zögernd fort, „da hab ich abends wirklich ein flackerndes Licht gesehen...“
„Wo denn?“, Sabine starrte Julia an. „Doch nicht im Moor?“
„Nein, nein, beim alten Stall!“ Julia zögerte wieder. „Erst war ich nicht sicher und wollte es auch David zeigen, aber als er dann aus dem Fenster schaute, war das Licht weg. Danach hab ich es noch einmal gesehen, es kam aus einem der vernagelten Fenster im Obergeschoss.“
„Dort, wo ihr nicht hindürft?“
„Genau. Die Fensterscheiben dort sind alle kaputt, sie waren total mit Brettern vernagelt, als wir hier einzogen. Papa wollte sie richten lassen, aber bis jetzt hat er’s noch nicht gemacht. Unten sind die Fenster offen, bis auf zwei oder drei, wo das Glas noch drin ist“, fuhr Julia fort. „Papa und Mama haben uns verboten dort zu spielen, weil alles so baufällig ist und einstürzen könnte. Der Boden könnte einbrechen, sagen sie, und die Decke mit den schweren Balken kann jederzeit herunterkommen. Ich hab nur mal reingeschaut, aber da ist nur ein Haufen Schutt und Gerümpel, nichts Interessantes. Es ist auch nicht besonders lustig zum Spielen dort.“
„Ob deine Mutter merkt, wenn wir uns heimlich da reinschleichen? Ich muss unbedingt wissen, woher das Licht gekommen ist und wohin die Gestalt verschwunden ist, die ich gesehen habe!“, sagte Sabine. Jetzt, am hellen Tag, würde sie sich in das alte Gebäude trauen, nachts ganz bestimmt
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