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Poor Economics

Poor Economics

Titel: Poor Economics Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abhijit Banerjee , Esther Duflo
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Millionen von Dollar zu investieren, um die Entwicklung von Versicherungsmöglichkeiten für Arme zu fördern.
    Wenn man Versicherungen anbieten will, hat man mit einer ganzen Reihe von Schwierigkeiten zu kämpfen, die keineswegs nur in der Welt der Armen auftreten. Es handelt sich um grundsätzliche Probleme, die in armen Ländern jedoch größer sind, weil es dort schwieriger ist, die Anbieter zu regulieren und die Versicherungsnehmer zu überprüfen. Wir haben das subjektive oder moralische Risiko bereits erwähnt: Unter Umständen verändern
die Menschen ihr Verhalten (bewirtschaften ihr Land nachlässiger, gehen öfter zum Arzt und so weiter), wenn sie wissen, dass sie nicht die vollen Konsequenzen ihres Tuns tragen müssen. Selbst ohne Krankenversicherung nehmen die Armen, wie wir gesehen haben, ständig irgendeine Form der Gesundheitsversorgung in Anspruch. Was würde geschehen, wenn diese Dienste umsonst wären? Und würden Ärzte nicht vielleicht unnötigerweise Tests und Medikamente verordnen, vor allem wenn sie selbst ein Labor besitzen (was auf viele Ärzte in den USA und in Indien zutrifft) oder Apotheken ihnen »Prämien« anbieten? So scheint alles in eine Richtung zu laufen: Die Patienten wollen, dass etwas getan wird, darum bevorzugen sie Ärzte, die schnell den Rezeptblock zücken, und Ärzte verdienen mehr, wenn sie mehr verschreiben. Eine auf Kostenerstattung ausgerichtete Krankenversicherung für die ambulante medizinische Versorgung in einem Land installieren zu wollen, in dem das Gesundheitswesen bestenfalls schwach reguliert ist und in dem sich jeder problemlos als »Doktor« niederlassen kann, hieße, sehenden Auges in den Bankrott zu steuern.
    Ein anderes Problem ist die »negative Auslese«. Wenn es keine Versicherungspflicht gibt, werden sich die, die schon ahnen, dass sie einmal Probleme haben werden, mit höherer Wahrscheinlichkeit versichern lassen. Das ist in Ordnung, wenn sich auch die Versicherer dessen bewusst sind, denn dann können sie das Risiko entsprechend in ihre Prämie einrechnen. Doch wenn die Versicherungsgesellschaften diejenigen, die die Abschlüsse tätigen, weil sie die Leistung sofort brauchen, nicht identifizieren können, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als die Prämien für alle Versicherten zu erhöhen. Das jedoch verschlimmert die Situation, da die höheren Prämien alle die abschrecken, die meinen, dass sie die Versicherung wahrscheinlich nicht brauchen. Damit verschärft sich das ursprüngliche Problem. Aus diesem Grund ist es beispielsweise extrem schwierig, in den Vereinigten Staaten eine halbwegs bezahlbare Krankenversicherung abzuschließen, wenn man nicht das Glück hat, über seinen Arbeitgeber versichert
zu werden. Und aus diesem Grund streben Programme für bezahlbare Krankenversicherungen meist Pflichtversicherungen an – denn wenn sich jeder versichern muss, bleiben die Versicherer nicht auf den Kunden mit den schlechten Risiken sitzen.
    Das dritte Problem ist der glatte Betrug: Wie kann man verhindern, dass ein Krankenhaus dem Versicherer massenhaft falsche Schadensfälle präsentiert oder für einen Patienten wesentlich höhere Kosten abrechnet, als für seine Behandlung tatsächlich angefallen sind? Und was sollte einen Bauern, der seinen Wasserbüffel versichert hat, davon abhalten zu behaupten, das Tier sei verendet? Nachiket Mor und Bindu Ananth von der ICICI Foundation sind die zwei Personen im indischen Finanzsektor, die sich am stärksten für die Entwicklung besserer Finanzdienstleistungen für Arme engagieren. Sie berichteten uns, nicht ohne Selbstironie, von ihrem ersten, schon Jahre zurückliegenden und grandios gescheiterten Versuch, eine Viehversicherung anzubieten: Nachdem der erste Schwung Versicherungsnehmer sein Vieh ausnahmslos verlustig gemeldet hatte, beschlossen sie, dass der Besitzer in Zukunft ein Ohr des Tiers als Beleg für seinen Tod vorlegen musste. Die Folge war ein florierender Markt für Kuhohren: Jeder toten Kuh, egal ob versichert oder nicht, wurden die Ohren abgeschnitten und dann an Leute verkauft, die eine Viehversicherung abgeschlossen hatten. Auf diese Weise konnte man die Versicherung kassieren und seine Kuh behalten. Im Sommer 2009 besuchten wir eine Tagung, auf der Nandan Nilekani, der Gründer und Ex-Vorstandsvorsitzende des indischen Software-Giganten Infosys, der von der indischen Regierung den Auftrag erhalten hatte, jeden Inder mit einem »eindeutigen Identitätsnachweis« auszustatten, seinen Plan

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