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Poor Economics

Poor Economics

Titel: Poor Economics Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abhijit Banerjee , Esther Duflo
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Sie verlängerten ihren Kredit, kurz bevor die Versicherung ablief und die Jahresprämie fällig wurde. Auf diese Weise hatten sie formal gesehen noch Versicherungsschutz,
wenn sie ihren Kredit verlängerten, und mussten die neue Prämie nicht zahlen. Wegen des anhaltenden Widerstands beschloss SKS, das Produkt nur noch auf freiwilliger Basis anzubieten. Aber eine freiwillige Versicherung, die nur von wenigen Kunden abgeschlossen wird, ist wieder anfällig für negative Selektion und moralisches Risiko. Die Kosten pro Versichertem explodierten, und ICICI Lombard, die Gesellschaft, für die SKS die Versicherung anbot, bat SKS, keine neuen Kunden mehr zu versichern, weil die Verluste zu groß waren. Andere Organisationen, die ähnliche Konzepte probierten, berichten von ganz ähnlichen Problemen: Die Kunden lehnten die Pflichtversicherung ab.
    Die Mikro-Krankenversicherung ist nicht die einzige Versicherung, die auf Schwierigkeiten stieß. Ein Forscherteam, zu dem auch unser MIT-Kollege Robert Townsend gehörte, wollte untersuchen, welche Auswirkungen der Zugang zu einer sehr einfachen Wetterversicherung hatte. Ähnlich wie die, die wir weiter vorne beschrieben haben, zahlt die Wetterversicherung einen gewissen Betrag aus, wenn weniger als eine festgesetzte Menge Regen fällt. 19 Das Produkt wurde in zwei indischen Bundesstaaten, Gujarat und Andhra Pradesh, vermarktet, die beide sehr trocken sind und häufig von Dürren heimgesucht werden. Die Versicherungen wurden von zwei bekannten und angesehenen Mikrofinanzinstituten verkauft. Die Unternehmen probierten verschiedene Wege aus, um den Bauern die Versicherungen anzubieten. Die Zahl der Vertragsabschlüsse war jedoch unglaublich gering: Maximal 20 Prozent der angesprochenen Bauern schlossen eine Versicherung ab, und diese Quote wurde nur dann erreicht, wenn ein Mitarbeiter des Instituts von Haus zu Haus ging, um das Produkt zu verkaufen. Selbst die, die eine Versicherung abschlossen, waren extrem zurückhaltend: Die meisten Bauern erwarben Policen, die nur 2 bis 3 Prozent der Ernteausfälle durch ausbleibenden Regen abdeckten.

    Warum wollen arme Menschen keine Versicherung?
    Ein möglicher Grund für die geringe Nachfrage nach Versicherungen: Die Regierung hat den Markt kaputt gemacht. So argumentieren üblicherweise die Nachfragewallahs: Wenn Märkte nicht funktionieren, ist wahrscheinlich eine Überversorgung durch Regierungen und internationale Organisationen daran schuld. Denn wenn es zu einem Unglück kommt, leisten diese guten Seelen freundlichen Beistand, und darum brauchen die Menschen eigentlich keine Versicherung.
    In schlechten Monsunjahren wetteifern indische Distrikte tatsächlich um die Anerkennung als »von Dürre betroffene Gebiete«, weil sie so an staatliche Hilfen kommen können. Auf staatlichen Baustellen werden Jobs geschaffen, man verteilt Nahrungsmittel und so weiter. Doch das ist nur ein kleiner Teil dessen, was Arme benötigen. So wird die Regierung nur bei großen Katastrophen aktiv, aber nicht wenn ein Wasserbüffel stirbt oder jemand von einem Auto überfahren wird. Und selbst die Katastrophenhilfe reicht meistens nicht aus, wenn sie bei den Armen ankommt.
    Ein anderer möglicher Grund wäre, dass die Armen das Prinzip von Versicherungen nicht richtig verstehen. In der Tat funktionieren Versicherungen völlig anders als die Geschäfte, die die Armen sonst tätigen: Man bezahlt für etwas, von dem man hofft, dass man es nicht braucht. Als wir uns mit den SKS-Kunden unterhielten, hörten wir oft, sie seien verärgert, dass sie ihre Versicherungsprämien nicht zurückerhielten, obwohl sie im vergangenen Jahr keinen Schadensfall gemeldet hätten. Sicher könnte man die hinter Versicherungen stehende Idee besser erklären, andererseits ist nur schwer vorstellbar, dass Menschen, denen es gelungen ist, das Schlupfloch im SKS-System zu entdecken, das Grundprinzip von Versicherungen nicht verstehen. Im Rahmen seiner Bemühungen, Wetterversicherungen zu verkaufen, entwickelte Robert Townsend einen Test, mit dem er herauszufinden versuchte, ob sein Gegenüber verstand, wie eine Versicherung arbeitet. Bei seinem Besuch las er dem Bauern die Beschreibung
einer hypothetischen Versicherung (eine Temperaturversicherung) vor und stellte dem potenziellen Kunden dann mehrere einfache Szenarien vor und fragte, wann die Versicherung wohl zahlen würde und wann nicht. Seine Gesprächspartner gaben in drei Viertel der Fälle die richtige Antwort. Schwer zu sagen,

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