Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Poor Economics

Poor Economics

Titel: Poor Economics Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abhijit Banerjee , Esther Duflo
Vom Netzwerk:
versuchen, bei der Risikostreuung kreativ zu sein. Bäuerliche Haushalte in Indien nutzen die Heirat zur »Risikodiversifizierung« innerhalb ihrer jeweiligen Clans. Frauen ziehen nach der Hochzeit ins Dorf ihrer Schwiegereltern, so entsteht eine Verbindung zwischen der Familie, aus der sie stammen, und der, in die sie einheiraten, und die beiden Familien können sich bei Bedarf gegenseitig um Hilfe bitten. 11 Häufig verheiraten Bauern ihre Töchter in Dörfer, die nah genug sind, um die Verbindung zu halten, aber weit genug entfernt sind, um etwas andere Wetterverhältnisse zu haben. So können sie einander helfen, wenn der Regen in einem Dorf ausbleibt, aber im anderen fällt. Eine weitere Art der Absicherung ist die Kinderzahl: Pak Sudarno hatte neun Kinder, damit er einigermaßen sicher sein konnte, dass sich wenigstens eines davon später um ihn kümmern würde.
     
    All diese Versuche der Armen, sich gegen Risiken abzusichern, sind häufig ziemlich kostspielig. Für den landwirtschaftlichen Bereich ist das gut belegt: Betriebsausgaben verwenden arme indische Bauern konservativer, aber weniger effizient, wenn sie in Gegenden leben, in denen der Niederschlag stärker schwankt. 12 In Regionen, wo der Regen sehr zuverlässig einsetzt, erzielen arme Bauern einen um 35 Prozent höheren Gewinn. Die Unsicherheiten treffen aber nur Arme in dieser Weise: Für reichere Bauern lässt sich kein Zusammenhang zwischen der Höhe des Gewinns und den Schwankungen im Niederschlag nachweisen, vermutlich weil sie sich Ernteverluste leisten können und daher auch Risiken eingehen.

    Eine andere Strategie armer Bauern ist das Pachten von Land, das bedeutet, dass der Besitzer einen Teil der Kosten für die Bewirtschaftung übernimmt und dafür einen Teil der Ernte erhält. Dadurch wird das Risiko für den Bauern geringer, der »Leistungsanreiz« allerdings auch: Wenn er weiß, dass der Landeigentümer beispielsweise die Hälfte von allem erhält, was der Acker hergibt, ist der Bauer weniger motiviert, sehr hart zu arbeiten. Eine indische Studie hat gezeigt, dass Bauern 20 Prozent weniger Arbeitskraft auf gepachtetes Land verwenden als auf solche Flächen, deren Ernte sie ganz für sich behalten dürfen. 13 Das hat zur Folge, dass gepachtete Felder weniger intensiv und weniger effizient bewirtschaftet werden.
    Verschiedene Jobs nebeneinander zu haben, wie viele Arme, ist ebenfalls unergiebig. Man kann kein Spezialist für etwas werden, wenn man sich nicht spezialisiert. Frauen, die drei verschiedene Geschäfte betreiben, und Männer, die keinen festen Job in der Stadt annehmen können, weil sie sich die Möglichkeit offenhalten wollen, alle paar Wochen in ihr Dorf zurückzukehren, begeben sich der Möglichkeit, Fähigkeiten und Erfahrungen in ihren Haupttätigkeiten zu erwerben. Damit verpassen sie auch die Chance, durch die Spezialisierung auf etwas, das sie richtig gut können, mehr Geld zu verdienen.
    Die Risiken, die die Armen tragen, verursachen also nicht nur dann hohe Kosten, wenn sie von einem Schicksalsschlag getroffen werden: Die Furcht, dass etwas Schlimmes geschehen könnte, lähmt sie häufig so, dass sie das ihnen innewohnende Potenzial gar nicht ausschöpfen können.
    Gegenseitige Unterstützung
    Ein anderer und vermutlich viel besserer Weg für Arme, mit Unsicherheiten umzugehen, ist die gegenseitige Unterstützung. Die meisten Armen leben in Dörfern oder Stadtvierteln, wo sie ein ausgedehntes Netzwerk von Leuten haben, die sie gut kennen: die Verwandtschaft, Mitglieder ihrer Religionsgemeinschaft oder Angehörige derselben ethnischen Gruppe. Natürlich gibt es Ereignisse,
die alle in diesem Netzwerk gleichermaßen treffen können, wie eine schlechte Regenzeit zum Beispiel, andere dagegen ereilen nur Einzelne. Wenn diejenigen, denen es gut geht, denen helfen, die gerade Probleme haben, und unter umgekehrten Vorzeichen selber Hilfe erfahren, dann hat jeder etwas davon: Sich gegenseitig zu helfen muss keine reine Nächstenliebe sein.
    Eine von Christopher Udry durchgeführte Studie zeigt Möglichkeiten und Grenzen einer solchen informellen Absicherung auf. Udry verbrachte ein ganzes Jahr in einem kenianischen Dorf und konnte die Bewohner dazu bewegen, jedes Geschenk und jeden Geldbetrag, den sie sich gegenseitig liehen, sowie die damit verknüpften Bedingungen zur Rückzahlung aufzuschreiben. 14 Außerdem fragte er sie jeden Monat nach negativen Ereignissen. Udry stellte fest, dass im Durchschnitt jede Familie zu jedem

Weitere Kostenlose Bücher