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Poor Economics

Poor Economics

Titel: Poor Economics Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abhijit Banerjee , Esther Duflo
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ob ein Durchschnittsamerikaner oder -franzose besser abgeschnitten hätte. Daher überrascht es nicht, dass die Versuche, die Wetterversicherung besser zu erklären, keinen Einfluss auf die Bereitschaft der Bauern hatten, eine solche abzuschließen. 20
    Die Bauern hatten sehr wohl verstanden, wie die Versicherung funktioniert, sie wollten sie schlicht nicht haben. Allerdings waren sie in ihrer Entscheidung manchmal relativ leicht zu beeinflussen. Ein einfacher Hausbesuch, ohne besondere Verkaufsanstrengungen, vermochte den Anteil derer, die eine Wetterversicherung abschlossen, zu vervierfachen. Auf den Philippinen schlossen zufällig ausgewählte Haushalte, die zuvor einen Fragebogen mit vielen gesundheitsbezogenen Fragen ausgefüllt hatten, wesentlich häufiger eine Krankenversicherung ab als solche, die keinen Fragebogen erhalten hatten. Vermutlich hatten diese Fragen die Leute daran erinnert, was alles passieren kann. 21
    Warum lassen sich die Armen – trotz der Winke mit dem Zaunpfahl  – so selten von den Vorteilen einer Versicherung überzeugen, obwohl für sie so viel auf dem Spiel steht?
    Das Hauptproblem ist unserer Meinung nach, dass der Markt – aus den Gründen, die wir weiter vorne erläutert haben – nur Versicherungen gegen katastrophale Ereignisse anbieten kann. Das zieht eine Reihe von Schwierigkeiten nach sich.
    Glaubwürdigkeit ist immer ein Problem bei Versicherungsprodukten: Da der Versicherungsvertrag eine Vorauszahlung verlangt, damit der Versicherte später vom Versicherer nach dessen Ermessen Geld zurückerhält, muss der Kunde dem Versicherer absolut vertrauen. Im Fall der Wetterversicherung wurde das Marketingteam manchmal von einem Mitarbeiter der Organisation Basix begleitet, die die Bauern alle kennen, und manchmal kam es alleine. Es zeigte sich, dass die Anwesenheit des Basix -Mitarbeiters
einen positiven Effekt auf die Abschlussquoten hatte, was den Schluss erlaubt, dass Vertrauen eine Rolle spielt.
    Leider liegt der Mangel an Vertrauen in der Natur des Produkts und der Art und Weise, wie Versicherungsunternehmen auf einen mutmaßlichen Betrug reagieren, begründet. Im Winter 2009 suchten wir einige SKS-Kunden auf, die sich entschlossen hatten, ihre Versicherung nicht zu verlängern. Eine Frau sagte, sie habe es getan, weil sich die SKS geweigert hatte, die Kosten zu übernehmen, als sie wegen einer Mageninfektion ins Krankenhaus musste. Die Police deckte nur katastrophale Ereignisse ab, und eine Mageninfektion, so furchtbar sie im Einzelfall auch sein mag, zählte nicht dazu. Doch diesen Unterschied hatte die Kundin nicht verstanden, schließlich war sie ins Krankenhaus gegangen und dort behandelt worden. Außerdem erzählte sie von einer Frau aus einer anderen Kreditnehmergruppe (wie die meisten Anbieter von Mikrokrediten hatte SKS seine Kunden in Gruppen organisiert), deren Mann an einer schweren Infektion gestorben war, nachdem seine Frau bereits einiges Geld für Medikamente und Ärzte ausgegeben hatte. Nach seinem Tod reichte sie die Rechnungen bei der Krankenversicherung ein, doch die weigerte sich zu zahlen, weil der Mann nicht einen Tag im Krankenhaus verbracht hatte. Empört über diesen Vorfall, beschloss eine ganze Gruppe von Frauen, keine Prämien mehr zu zahlen. Vom juristischen Standpunkt aus hatte die Versicherung natürlich das Recht, die Zahlung zu verweigern, doch kann man sich andererseits etwas Katastrophaleres vorstellen?
    Ähnliche Probleme treten auch bei den Wetterversicherungen auf. Wenn das Getreide verdorrt und die Bauern hungern, die Niederschläge in der Wetterstation aber über der festgesetzten Marke liegen, bekommt niemand etwas von der Versicherung. Hier spielen auch die mikroklimatischen Bedingungen eine Rolle: Immer wenn die durchschnittliche regionale Regenmenge eines Jahres noch knapp über der Marke liegt, gibt es gleichzeitig auch Farmer, die – rein zufällig – unter Dürre leiden. Für die ist es alles andere als einfach, das Verdikt der Wetterstation zu akzeptieren,
zumal in einem Umfeld, in dem Korruption an der Tagesordnung ist.
    Das andere Problem ist die Zeitinkonsistenz, der wir im Gesundheitskapitel bereits begegnet sind. Wenn es darum geht, ob wir eine Versicherung abschließen oder nicht, müssen wir heute darüber nachdenken (und die Prämie zahlen), doch die Rückzahlung erfolgt, wenn überhaupt, in der Zukunft. Diese Art des vorausschauenden Denkens fällt uns Menschen ausgesprochen schwer. Das Problem verschärft sich

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