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PopCo

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Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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englischen Sprache ist
the
. Gibt es in unserem Text Wörter mit drei Buchstaben, die aussehen, als könnten sie
the
lauten? Wenn man eine monoalphabetische Chiffre entschlüsseln will, ohne ihren Schlüssel zu kennen, muss man sich als Wortdetektiv
     betätigen. Man muss nach Mustern suchen, Buchstaben einsetzen, die man erkannt zu haben glaubt, und sehen, ob sich daraus
     etwas ergibt. Auf diese Weise hat man irgendwann die ganze Nachricht dechiffriert.
    Alternativ kann man auch mit der Häufigkeitsanalyse arbeiten, was sich vor allem bei verschlüsselten Texten als nützlich erweist,
     die nicht so komfortabel in Wörter unterteilt sind. Um eine Häufigkeitsanalyse durchzuführen, muss man sich notieren, wie
     oft sämtliche Buchstaben im Geheimtext auftauchen, und eine Liste des häufigsten und des zweithäufigsten bis hinunter zum
     seltensten Buchstaben erstellen. Dann beschafft man sich eine Häufigkeitstabelle (davon gibt es etliche, einige stehen inzwischen
     auch im Internet), die die Häufigkeit aller Buchstaben im allgemeinen englischen Sprachgebrauch verzeichnet. Man nimmt den
     häufigsten Buchstaben aus dem verschlüsselten Text und ersetzt ihn durch den häufigstenBuchstaben des Englischen, den die Häufigkeitstabelle angibt. Dann nimmt man den zweithäufigsten Buchstaben und ersetzt ihn
     durch den zweithäufigsten des Englischen und immer so weiter. Von wenigen kleineren Korrekturen abgesehen, funktioniert das
     meistens erstaunlich gut. Zumindest gibt einem diese Methode fast immer genügend Informationen an die Hand, um die Nachricht
     selbst zu entschlüsseln. Während die Mustererkennung eher an die Methode von Sherlock Holmes erinnert, ist die Häufigkeitsanalyse
     vergleichbar mit den forensischen Ermittlungen des 21.   Jahrhunderts.
    Wenn man also die obige Nachricht dechiffriert, erhält man folgenden Schlüssel:

    Die erste Fassung meines KidCracker-Sets enthielt eine Alberti-Chiffrierscheibe, ein Jefferson-Rad, eine batteriebetriebene
     Mini-Enigma-Maschine und ein Vigenère-Quadrat aus Plastik. Leon Battista Alberti, ein Architekt aus dem 15.   Jahrhundert, gilt als der eigentliche Urvater der heutigen westlichen Kryptologie. Seine Chiffrierscheibe wurde zur Grundlage
     aller späteren polyalphabetischen Chiffriertechniken, einschließlich des Enigmas. Um die Apparate nachbauen zu können, tat
     ich mich mit zwei jungen Ingenieuren aus der Mechanikabteilung von PopCo London zusammen. Wir wälzten zahllose Primärtexte
     in der British Library und begutachteten Ausstellungsstücke in den verschiedensten Museen – mit dem Ergebnis, dass mein Codeknacker-Set
     für Neun- bis Zwölfjährige funktionierende Miniaturversionen der größten kryptologischen Errungenschaften aller Zeiten enthielt.
     Diese Originale erzielen unter Sammlern inzwischen Preise, die den ursprünglichen Verkaufspreis um ein Hundertfaches übersteigen,
     und üben aufvolljährige Hobbykryptologen etwa denselben Reiz aus wie die berühmte Super- 8-Kamera von Fisher Price auf erwachsene Cineasten. Dass das Set in einigen Ländern verboten wurde und schließlich ohne die interessanten
     Extras, die den ganzen Aufstand verursacht hatten, neu herausgebracht werden musste, hat sicher auch nicht geschadet. Ich
     rechnete damals fest damit, Riesenärger zu bekommen, weil ich mir ein Spielzeug ausgedacht hatte, das mit Verboten belegt
     wurde, und so wäre es wahrscheinlich auch gekommen, wenn sich das alles nicht letztlich als Vorteil für uns erwiesen hätte.
     So aber veröffentlichten diverse Zeitungen kurze Artikel darüber, und die daraus resultierende Aufmerksamkeit überwog schließlich
     jeden durch das Verbot entstandenen Schaden. Trotzdem musste ich mir einen längeren Vortrag von Carmen der Ersten anhören,
     in dem sie mir unter anderem Recherchetipps für Rechtsfragen gab und mir viele Anekdoten über Produktstarts erzählte, die
     durch die Dummheit betriebsblinder Kreativer verunglückt waren. (Das augenfälligste Beispiel war der Versuch, ein Auto namens
Nova
in Spanien zu lancieren:
No va
heißt auf Spanisch so viel wie «läuft nicht».)
    Nach der «Überarbeitung» enthielt das Set nur noch das Vigenère-Quadrat. Die Amerikaner hatten den allergrößten Aufstand wegen
     der ursprünglichen Version veranstaltet und kategorisch erklärt, sie verstoße gegen irgendein Gesetz, das die Ein- und Ausfuhr
     ausgefeilter Verschlüsselungsgeräte verbiete. (Aus demselben Grund sind auch manche Internetbrowser

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