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PopCo

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Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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außerhalb der USA nicht
     in ihrer vollständigen Version erhältlich, weil es nämlich illegal wäre, die dazugehörige Verschlüsselungssoftware zu exportieren.)
     Umso amüsanter fand ich, dass sie am Vigenère-Quadrat keinen Anstoß nahmen. Könnte nicht auch das irgendwelche Neun- bis Zwölfjährige
     in die Lage versetzen, eine Revolution vom Zaun zu brechen oder eine Regierung zu stürzen? Nicht auszuschließen. Dochdas Kapitel über Vigenère ist mit Sicherheit auch das, das die meisten Kinder überspringen, weil es eigentlich viel zu kompliziert
     für sie ist.
     
    Anders als bei monoalphabetischen Chiffren kommt man bei einer Vigenère-Verschlüsselung meist nicht darum herum, den Schlüssel
     zu finden, wobei es sich bei diesem «Schlüssel» meist nur um ein einfaches Wort handelt und nicht um ein vollständiges, willkürlich
     angeordnetes Alphabet. Die Verschlüsselungsmethode selbst ist allerdings sehr viel komplexer und lässt sich nicht auf dieselbe
     Weise knacken wie eine monoalphabetische Chiffre.
    Monoalphabetische Chiffren umfassen jeweils nur ein Schlüsselalphabet. Sie sind recht leicht zu knacken, denn sobald man weiß,
     durch welche Buchstaben beispielsweise E und T ersetzt wurden, ist der Rest nicht viel schwieriger zu entschlüsseln als ein
     nicht allzu kompliziertes Galgenmännchen-Rätsel. Polyalphabetische Chiffrierungstechniken verwenden dagegen mehrere Alphabete
     gleichzeitig. Es ist schwer zu schildern, was für einen Durchbruch Albertis Vorschlag, mehrere Alphabete für einen Geheimtext
     zu verwenden, tatsächlich darstellte. Monoalphabetische Chiffren lassen sich immer mit Hilfe der Häufigkeitsanalyse knacken,
     selbst wenn die Sherlock-Holmes-Methode scheitert. Was aber würde geschehen, wenn man nun die Häufigkeit noch einmal durcheinanderbrächte,
     indem man einen Klartextbuchstaben in derselben Nachricht durch verschiedene Geheimtextbuchstaben ersetzt? Diese Frage stellte
     sich Alberti. Und er kam auf eine Methode, die man – nun, schlicht genial nennen muss. Man zeichnet ein Quadrat aus sechsundzwanzig
     verschiedenen Versionen des Alphabets, die jedes Mal um eine Stelle verschoben sind (siehe Abbildung). Dann bestimmt man ein
     kurzes Schlüsselwort, beispielsweise RAIN. Dieses Schlüsselwortschreibt man immer wieder hintereinander über den Klartext, der verschlüsselt werden soll, etwa so:

    Die Buchstaben des Schlüsselwortes geben dann an, welche Zeile des Vigenère-Quadrats dazu verwendet wird, den darunterstehenden
     Klartextbuchstaben zu verschlüsseln. Das H aus «HELLO», das mit der Zeile R verschlüsselt wird, wäre dann also ein Y.   Das E, verschlüsselt mit Zeile A, bleibt einE (jeder Buchstabe aus der Zeile A wird grundsätzlich mit sich selbst verschlüsselt,
     weshalb Schlüsselwörter meist kein A enthalten). Das erste L wird durch die Zeile I zum T, das zweite dagegen wird mit der
     Zeile N verschlüsselt und dadurch zum Y.   Und so wird das Wort HELLO in der Verschlüsselung zu YETYF, was absolut nichts mehr mit irgendeiner monoalphabetischen Schreibweise
     von
hello
zu tun hat. Jeder Hinweis auf das Bigramm «ll» ist getilgt, und das Y bezeichnet zwei verschiedene Buchstaben.
    Die zweite Nachricht,
the hardest of them all
, lautet verschlüsselt folgendermaßen:

    Mit Häufigkeitsanalyse oder Detektivarbeit kommt man da nicht weit. Um diese Chiffre zu knacken, muss man wissen, dass das
     Schlüsselwort RAIN lautet – anders ist einer Vigenère-Verschlüsselung nicht beizukommen. Natürlich kann man Schlüsselwörter
     gegebenenfalls auch erraten. Nach dem Anschlag auf das World Trade Center hatte ein Unternehmen fast alle seine Mitarbeiter
     verloren. Die wenigen Verbliebenen beschlossen, die Firma irgendwie weiterzuführen, stießen dabei aber auf die Schwierigkeit,
     dass die Passwörter zu den Computern allesamt verloren waren, weil niemand mehr am Leben war, der sie kannte. Die verbliebenen
     Mitarbeiter setzten sich zusammen und gingen sämtliche Lebensbereiche ihrer Kollegen durch. Sie notierten Urlaubsorte, Spitznamen
     und Ähnliches, bis sie am Ende tatsächlich alle Passwörter ermittelt hatten. Diese Geschichte hat mir jemand im Büro erzählt,
     der unglaublich beeindruckt war vom Teamgeist dieser Leute. Doch für mich war es die gruseligste Geschichte, die ich je gehört
     habe.

    Wie auch immer: Da es im Normalfall eher unwahrscheinlich ist, das Schlüsselwort zu einem Text zu kennen, den man nicht entschlüsseln
     soll, muss

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