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Poppenspael

Poppenspael

Titel: Poppenspael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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ein
Verhältnis mit einer der Ermordeten hatten.«
    »Ein
Verhältnis? Woher wollen Sie das wissen?«
    »Von dieser
vertraulichen Quelle!«
    »Nun mal raus
damit, wer ist diese ominöse Quelle?«

9
    Ohne Geld hab ich
nicht den Hauch einer Chance, überlegt er und steigt hastig
die endlose Steintreppe hinauf, die zwischen zwei
Häuserfronten steil nach oben führt. Auf den letzten
Stufen muss er stehen bleiben, um zu verschnaufen, atmet tief durch
und wirft einen Blick zurück über die Förde. Auf der
anderen Seite, hinter dem grünspanfarbenen Wasserturm, ziehen
sich dunkle Wolken zusammen. Bald schifft es los, aber zum
Glück ist es nicht mehr weit. Die zweite Straße rechts,
eins – zwei, ich bin richtig und der dänische
Antiquitätenladen existiert auch noch.
    ›Antikva‹ steht mit
blauen Leuchtbuchstaben über dem Ladenfenster des alten
Backsteingebäudes. Er tritt davor und zuckt erschreckt
zurück, als er sein verschlafenes, unrasiertes Gesicht in
einem Spiegel mit Biedermeiergoldrahmen bemerkt, der in der Auslage
steht. Neben alten Möbeln, einem Grammophon, Puppen,
Zinnfiguren, Jugendstillampen und mehreren Pickelhauben aus dem
Ersten Weltkrieg, entdeckt er in der rechten Ecke auf einem kleinen
weißen Regal einige Porzellanfiguren der Kopenhagener Bing
& Grøndahl-Manufaktur. Sein Herz beginnt vor Aufregung
schneller zu schlagen. Obwohl sein letzter Bruch ziemlich in die
Hose gegangen war und er bei der Flucht fast alle Porzellanfiguren
zerbrochen hatte, war das beste Stück wie durch ein Wunder
unversehrt geblieben.
    Vielleicht bringt die
Hans-Christian-Andersen-Figur mir einen annehmbaren Preis, hofft er
inständig. 400 sollten drin sein. Das würde reichen, um
mich nach Dänemark abzusetzen und für zwei, drei Tage
über die Runden zu kommen. Danach sehen wir weiter. In
Apenrade kenn ich noch ein paar Freunde von früher, genauso
Außenseiter im Staate Dänemark wie ich. Von den
Dänen wurden wir Deutschstämmigen immer nur
verächtlich die Reichsdänen genannt, aber die alten
Kumpel werden mir schon weiterhelfen.
    Ein Gong ertönt,
als Sören Ørsted die Ladentür aufzieht. Der Raum
ist düster und vollgestopft mit staubigen Antiquitäten,
die sich bis unter die Decke stapeln. Hinter dem winzigen
Verkaufstresen steht ein dürrer, junger Mann mit semmelblonden
Haaren, dessen Gesicht von einer mächtigen Nase dominiert wird
und zusätzlich von Sommersprossen übersät
ist.
    »God dag«,
grüßt Ørsted auf Dänisch.
    »Moin,
moin«, kommt die prompte Antwort.
    »Ich hab da
vielleicht etwas für Sie«, tastet Ørsted sich
vor, nimmt die eingepackte Porzellanfigur aus seiner Tragetasche,
stellt sie auf den Tresen und entfernt das Seidenpapier. »Was
sagen Sie dazu?«
    Der junge Mann geht
vorsichtig in die Knie und mustert das Exponat so sorgfältig,
als würde er mit seiner Nase Hans Christian Andersen jeden
Moment von seiner Porzellanbank stupsen. Das kurze, gierige
Aufblitzen seiner Augen wird von Sören Ørsted mit
Genugtuung registriert.
    »900 !«,
pokert er. »Ich trenn mich nur ungern von dem alten
Erbstück! Schauen Sie nur, wie einzigartig allein das kleine
Mädchen gestaltet wurde, wie inbrünstig es dem Dichter
zuhört!«
    »900 ! Sie sind
nicht ganz bei Trost! Ich bin doch kein Krösus! 300 , mehr ist
für mich nicht drin!«
    Sören
Ørsteds Bauchgefühl sagt ihm, dass er cool bleiben
muss. Er hat den Köder ausgelegt, mit etwas Geduld wird der
Fisch schon beißen.
    »Okay, Ihr Vater
und ich haben schon Geschäfte gemacht, auf 700 komm ich Ihnen
entgegen.«
    »Kein Wunder,
dass der alte Herr den Laden so heruntergewirtschaftet hat. Passen
Sie auf, es ist eine schöne Figur, ohne Frage, sagen wir 400 ,
mein letztes Wort.«    
    »600, mein
letztes«, sagt Ørsted und triumphiert schon
innerlich.
    »400, mehr
bekommen Sie nirgends.«
    »Wie Sie wollen,
dann versuch ich es anderswo.«
    Sören
Ørsted wickelt die Figur langsam wieder ins Seidenpapier,
verstaut sie ohne Hast in der Tragetasche und schlendert zur
Ladentür. Der Türgong klingt wie ein
Schlussakkord.
    »Okay,
okay«, schallt die Stimme des Ladenbesitzers hinter ihm her.
»Auch wenn das der pure Wahnsinn ist, 500 !«
    Ørsteds Herz
macht einen Satz. Ich hab es gewusst, ich hab es gewusst,
wiederholt er innerlich triumphierend. »Die Figur ist
Ihre«, sagt er und macht auf dem Absatz kehrt. »Ich
hätte da noch etwas für Sie. Es passt vielleicht nicht
unbedingt in Ihr Geschäft, aber antik sind meine
Goldmünzen

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