Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Poppenspael

Poppenspael

Titel: Poppenspael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
Vom Netzwerk:
frei. Im leichten Linksknick der
Werftstraße prescht er über eine rote Ampel, doch seine
Verfolger lassen sich durch das Manöver nicht
abschütteln. Während die Straßenbäume an
seinem Seitenfenster vorbeifliegen, erinnert er sich im letzten
Augenblick daran, dass hinter dem nächsten Gebäudekomplex
links die Terrassenstraße abbiegt. Dort könnte es ihm
gelingen, im Straßengewirr der Siedlungshäuser die
Polizei kurzfristig abzuhängen, den Wagen auf einem
Privatparkplatz abzustellen und dann erst mal zu Fuß zu
entkommen. Die kurze Unaufmerksamkeit reicht aus. Ørsted
übersieht den Streifenwagen mit Blaulicht, der gerade auf die
Apenrader Straße herausschnellt und sich quer zur Fahrbahn
stellt. Intuitiv reißt er das Steuer nach links, versucht,
über den Bürgersteig noch am Heck vorbeizukommen und
sieht plötzlich alles in Zeitlupe vor seinen Augen ablaufen.
Ein Fußgänger springt panisch zur Seite, während
sein linker Frontreifen gegen den hohen Kantstein trifft, ihm das
Lenkrad aus der Hand springt und sein rechter Kotflügel sich
mit voller Wucht in das rechte Rücklicht des Streifenwagens
bohrt. Der Airbag zündet explosionsartig. Sein Gesicht wird
tief in den Luftsack gepresst. Ørsted wird schwarz vor
Augen, Nase und Mund sind plötzlich voller Pulver, er will
atmen, bekommt kaum noch Luft und glaubt zu ersticken. Er will mit
der Hand das Pulver aus dem Mund entfernen, doch der rechte Arm
versagt seinen Dienst, hängt nur schlaff herunter. Ein
höllischer Schmerz macht es ihm unmöglich, sich auch nur
ein Stück zu bewegen. Er hört, wie die Fahrertür
aufgerissen wird.
    »Was soll der
Scheiß, Mann!«, zischt die scharfe Stimme des
Streifenpolizisten. Sören Ørsted schaut einfach durch
ihn hindurch, weigert sich, überhaupt noch etwas wahrzunehmen.
Er schließt die Augen, damit man ihn in Ruhe lässt, doch
kräftige Arme drücken seinen Oberkörper nach vorn,
fassen von hinten um ihn herum und hieven ihn vom Sitz nach
draußen. Ørsted stöhnt auf, als erneut ein
brennender Schmerz in die Schulter schießt. Er wird auf das
Straßenpflaster gelegt, das, durch Sonne aufgeheizt, eine
wohlige Wärme ausstrahlt. Aus der Ferne kommen Sirenen
näher.
    »Ist er
ohnmächtig?«, hört er eine Stimme.
    »Sieht fast so
aus«, bestätigt eine andere.
    »So ein
blödes Arschloch«, schimpft die erste, »fährt
unseren nagelneuen Wagen zu Schrott. Manchmal frage ich mich, was
in den Köpfen dieser Ganoven vorgeht. Was denken die nur,
wohin sie eigentlich flüchten können?«
    »Ich finde, der
Typ ist eher eine tragische Figur«, sagt die andere Stimme.
»Da kommt die Kripo an seine Haustür, will ihm
mitteilen, dass seine Frau ermordet wurde, und der Typ ist ein
gesuchter Einbrecher und denkt, er soll verhaftet
werden.«
    »Was sagt
der?« Seine innere Stimme hört sich an wie eine
Halluzination. »Petra, ermordet? Quatsch, Ørsted, du
hast dich verhört, bringst schon alles durcheinander
…«
    *
    »Nein, Frieda,
nicht auch das noch!« Susan Biehls Stimme klingt lauter als
normal. »Ich finde, die Situation ist schlimm genug, und ich
hab überhaupt keine Lust, den ganzen Nachmittag mit dieser
Keck zu verbringen. Ronja konnte die auch nicht leiden, und ich
werde dadurch unentwegt an sie erinnert.«
    »An Ronja? Das
ist ja furchtbar, aber wie kann das angehen?«
    »Du warst selbst
dabei. Die Keck und Ronja, das fing doch schon bei der Vorbereitung
an. Die Keck ist völlig auf Distanz
gegangen.«
    »Bei der
Vorbereitung am Donnerstag? Ist mir gar nicht aufgefallen«,
grübelt Frieda Meibaum. »Weißt du denn, was da
passiert ist?«
    »Nein,
weiß ich nicht.« Susan klingt schroff. »Ich
möchte nur nicht mit der Keck die Betreuung des Puppenspielers
übernehmen. Ich kann das im Rathaus allein hinkriegen, und sie
kann woanders aushelfen!«
    »Mir ist das,
ehrlich gesagt, nur recht, Susan. Nach diesen schrecklichen
Ereignissen haben wir sowieso alle Hände voll zu tun, dass wir
das Festival einigermaßen über die Runden
bringen.«
    »Okay, Frieda,
ich bin jedenfalls froh, wenn ich was um die Ohren hab«,
meint Susan und schaut auf die Armbanduhr. »Es ist gleich 15
Uhr, ich geh dann jetzt zum Rathaus rüber.«
    Vor der Tür des
Poppenspäler-Museums empfängt die Sekretärin ein
wolkenloser, blauer Himmel. Die Stadt wirkt unheimlich friedlich,
das strahlende Sonnenlicht legt sich wärmend auf ihre Haut.
Der Schlosspark ist noch immer gesperrt und von einem
Streifenpolizisten bewacht. Susan kennt ihn vom Sehen,

Weitere Kostenlose Bücher